Es ist das Ergebnis einer akribischen Auswertung von Abertausenden Aktenseiten. "Eine Fleißarbeit", stellt selbst die Bundesanwaltschaft hinterher anerkennend fest. Am Mittwoch hat die Berliner Anwältin Antonia von der Behrens im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München ihr Plädoyer begonnen. Von der Behrens vertritt den jüngsten Sohn von Mehmet Kubasik. Der Dortmunder Kioskbesitzer wurde am 4. April 2006 von den NSU-Terroristen ermordet.
Die Vertreter des Generalbundesanwalts folgen dem Vortrag der Nebenklagevertreterin aufmerksam, schreiben mit. Manchmal spricht Bundesanwalt Herbert Diemer ein paar Worte zu seiner Kollegin. Etwa als Opferanwältin von der Behrens auf den NSU-Mord an Halit Yozgat in Kassel zu sprechen kommt. Diemers Mimik lässt erahnen, dass ihn empört, was er hört.
Der damalige Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes Andreas T. war mutmaßlich zur Tatzeit am Tatort in Kassel. Von dem Mord will er nichts mitbekommen haben. Von der Behrens sagt nicht nur, dass sie T. seine angebliche Ahnungslosigkeit nicht abnimmt. Sie sagt, dass "derzeit nicht ausgeschlossen werden kann", dass der Verfassungsschützer "gar an der Tat mitgewirkt hat".
Der Verfassungsschutz habe die Suche nach Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt bewusst behindert
Überhaupt der Verfassungsschutz. Die Nebenklagevertreterin wirft dem Bundesamt und mehreren Landesämtern vor, die Suche nach den im Januar 1998 untergetauchten Neonazis Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bewusst behindert zu haben. Detailliert zeichnet sie nach, wo und wann ihrer Ansicht nach Wissen über den Aufenthaltsort der drei vorhanden gewesen sein müsse, ohne dass es zu einer Festnahme kam. Sie sagt, dass die Vielzahl der Versäumnisse gegen bloßes Versagen, bloße Pannen und Fehler spreche, "sondern alles für gezieltes Handeln spricht".
Konkret nennt von der Behrens das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Landesämter Thüringen und Sachsen sowie das Innenministerium Brandenburg, die Erkenntnisse zurückgehalten hätten. Sie sagt, es "ist davon auszugehen, dass bei Weiterleitung dieses Wissens an Strafverfolgungsbehörden eine Festnahme vor dem ersten Mord des NSU, in jedem Fall vor dem Mord an Mehmet Kubasik möglich gewesen wäre".
Welches Interesse gleich mehrere Verfassungsschutzämter und Ermittlungsbehörden gehabt haben sollen, eine Festnahme von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt zu verhindern, sagt sie nicht. Stattdessen: "Was wir nicht beantworten können, ist das Motiv für das dargestellte Handeln der Sicherheitsbehörden."