Balkan:Rechtsruck in Nordmazedonien

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Gordana Siljanovska-Davkova wird neue Präsidentin von Nordmazedonien. (Foto: ROBERT ATANASOVSKI/AFP)

Die rechtsnationalistische Opposition hat bei den Parlaments- und bei den Präsidentschaftswahlen Erdrutschsiege errungen. Sie löst nun nach sieben Jahren die Regierung der Sozialdemokraten in Skopje ab.

Die rechtsgerichtete Opposition in Nordmazedonien hat sowohl bei den Parlaments- als auch bei den Präsidentschaftswahlen am Mittwoch Erdrutschsiege errungen. "Liebes Volk von (Nord-)Mazedonien ... wir haben es geschafft. Mazedonien hat gewonnen. Das ist ein historischer Sieg des Volkes", sagte der Vorsitzende der Partei VMRO-DPMNE, Hristijan Mickoski, vor Hunderten jubelnden Anhängern vor der Parteizentrale im Zentrum von Skopje.

Nach Angaben der Wahlkommission kam seine Partei bei der Parlamentswahl nach Auszählung fast aller Stimmen auf 42 Prozent, die regierende SDSM auf 15 Prozent. Die Rechten lösen damit die seit 2017 regierende sozialdemokratische SDSM an der Macht ab. Mit fast der Hälfte der Mandate im neuen Parlament sind sie in der bequemen Lage, sich den Koalitionspartner aussuchen zu können.

SDSM-Chef Dimitar Kovacevski räumte daraufhin seine Niederlage ein. Im Vergleich zur Parlamentswahl vor vier Jahren verlor seine Partei weit mehr als die Hälfte ihrer Wähler. "Das Ergebnis ist enttäuschend und ein schwerer Schlag für die SDSM", sagte Kovacevski auf einer Pressekonferenz. Er forderte eine grundlegende Neuaufstellung der Partei.

In der Stichwahl um das eher zeremonielle Präsidentenamt besiegte die von der VMRO-DPMNE unterstützte Universitätsprofessorin Gordana Siljanovska-Davkova den von der SDSM unterstützten Amtsinhaber Stevo Pendarovski. Nach Auszählung von mehr als 87 Prozent der Stimmen lag Siljanovska-Davkova mit 65 Prozent uneinholbar vor Pendarovski mit 29 Prozent. "Ich habe mich gefragt, womit ich diese Ehre verdiene", sagte Siljanovska-Davkova kurz nach ihrer Wahl zur ersten weiblichen Präsidentin des Landes. "Die Ehre ist für mich unbezahlbar, es ist eine große Verantwortung."

Die Wähler in dem zwei Millionen Einwohner zählenden Balkanland sind frustriert über den seit 2005 nur schleppend vorankommenden EU-Beitrittsprozess. Im Wahlkampf hatte die VMRO nationalistische Töne angeschlagen und für den Fall eines Wahlsiegs einen konfrontativen Kurs gegen die Nachbarländer Griechenland und Bulgarien angekündigt.

Das könnte die Beitrittsverhandlungen, die die EU im Juli 2022 mit Nordmazedonien eröffnet hatte, erheblich behindern. Beide EU-Länder haben bei jedem einzelnen Verhandlungsschritt ein Vetorecht. Zuletzt verlangte Bulgarien, dass Nordmazedonien die 3000 Menschen starke bulgarische Minderheit in seiner Verfassung erwähnt. Dies ist Voraussetzung dafür, dass die EU-Beitrittsverhandlungen nach der formalen Eröffnung entscheidend voranschreiten können.

Einer Verfassungsänderung, die eine Zweidrittelmehrheit erfordert, verweigerte die VMRO unter der scheidenden Regierung die Zustimmung. Bald wird sie selbst am Zug sein, wenn sie das Land weiter auf dem Weg in die EU halten will. Das Land ist der Nato im Jahr 2020 beigetreten.

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