Kurz vor Weihnachten stand Deutschlands berühmtester Dreimaster im Hafen von Buenos Aires, es empfing der Kommandant. Argentiniens Sommersonne schien auf den weißen Schiffsrumpf, Norbert Schatz trug seine weiße Uniform und war guter Dinge. Trotz allem.
Hinter ihm lag ein Todesfall, der in der fernen Heimat nun, mehr als zwei Monate später, hohe Wellen schlägt. Vor ihm lag Kap Hoorn, wo es stürmisch werden kann. Zum ersten Mal in 52 Jahren sollte die legendäre Bark die berüchtigte Meerespassage bezwingen und dann den Pazifik hinaufsegeln. Durch den Panama-Kanal würde es dann zurückgehen nach Kiel, wo das Abenteuer vor vielen Monaten begonnen hatte. Es war als längste Reise dieses Schulschiffes der Marine geplant, ein Härtetest. Doch jetzt wurden Schatz und sein Team zurück nach Ushuaia auf Feuerland beordert.
Auf der Zwischenstation in Salvador an Brasiliens Küste war im November eine 25-jährige Kadettin vom Mittelmast auf das Deck gestürzt und gestorben. "Ein Unfall", sagte Schatz, ein drahtiger Mann von 53 Jahren. Es war in einem halben Jahrhundert der sechste Tod an Bord der Gorch Fock, die 34 Mal die Erde umrundet hat. Diesmal brach die Bundeswehr die Ausbildung ab, wegen Vorwürfen von Streit und meutereiartigen Zuständen reist eine Untersuchungskommission in den argentinischen Süden. Für den Kapitän Schatz wird es die unangenehmste Prüfung seiner Karriere.
Die hatte 1976 auf dieser schwimmenden Botschaft begonnen. Wer bei der Marine ein höheres Amt anstrebt, der musste bisher ein paar Wochen lang auf die Gorch Fock, wo die 24 Segel noch von Hand gesetzt werden, und Anfänger in Hängematten schlafen. Schatz erzählte von prägenden Erinnerungen, der Enge, der Kälte, dem Wind. Er ist in Freiburg geboren und am Bodensee aufgewachsen, weit entfernt vom Meer, heute lebt die Familie in der Nähe von Wilhelmshaven.
"Risiken auf hoher See kann man nie ausschließen"
Nach seinem Einstand absolvierte Schatz den Offizierskurs in Flensburg und studierte an der Universität der Bundeswehr, er trägt das Ehrenkreuz der Armee, die Einsatzmedaille der Operationen Enduring Freedom und Active Endeavour. Der Marathonläufer und Bergsteiger war im Verteidigungsministerium im Einsatz, an der Marineakademie und auf mehreren Fregatten. Die Bayern führte er bis 2003, das Ehepaar Stoiber war zu Gast. 2006 übernahm der erfahrene Seefahrer die Gorch Fock, auf der er bereits jahrelang Lehrgänge geleitet hatte.
Die archaische Etappe auf der Gorch Fock hält der Vater zweier Kinder für pädagogisch sinnvoll. "Damit jeder weiß, worauf er sich eingelassen hat." Die Risiken auf hoher See könne man nie ausschließen, man werde aber weiter versuchen, sie zu minimieren. Er habe allerdings den Eindruck, dass manche Bewerber Anforderungen wie dem Aufstieg in die Takelage nicht mehr gewachsen seien. "Ich bin als Kind auf dem Kirschbaum der Nachbarn geklettert, heute sitzen Jugendliche vor dem Computer. Vielleicht sollte man die Kandidaten erst mal zehn Klimmzüge machen lassen, viele schaffen das nicht." Ermittler wollen nun mit ihm, anderen Befehlshabern und Matrosen reden.