Niederlande:Ein Kulturkampfsoldat als Parlamentspräsident

Lesezeit: 3 Min.

"Wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner?": Martin Bosma gilt vielen als "Gehirn" hinter Parteichef Geert Wilders. (Foto: Sem van der Wal/AFP)

Martin Bosma, getreuer Helfer von Geert Wilders und identitärer Hardcore-Ideologe, ist an die Spitze der niederländischen Abgeordnetenkammer gewählt worden - ein erster Triumph der neuen rechten Mehrheit.

Von Thomas Kirchner

Ein kurzes Lachen, eine schnelle Umarmung mit Parteichef Geert Wilders, das war es schon. Martin Bosma wollte seinen "bescheidenen Sieg", wie er ihn nannte, nicht zu ostentativ feiern. Aber alle in der Zweiten Kammer, dem Unterhaus in Den Haag, wussten natürlich, dass ihm und seiner Freiheitspartei PVV am Donnerstagabend etwas Größeres gelungen war, dass sie eine Art Trophäe erjagt hatten: Bosmas Wahl zum Parlamentspräsidenten ist ein erstes Zeichen, dass sich machtpolitisch und stimmungsmäßig etwas gehörig verändert hat in der niederländischen Politik. Der Rechtsruck ist da.

Noch regiert Wilders nicht, noch zögern seine potenziellen Partner, mit ihm zu koalieren, noch herrscht großer Zweifel, ob man seinen Beteuerungen glauben kann, er werde von den radikalsten Forderungen absehen und sich an Geist und Buchstaben der Verfassung halten. Die eigentlichen Verhandlungen mit ihm haben noch nicht begonnen und sie können durchaus scheitern.

Er war der Erfinder der "Kopflappensteuer", die Muslimas bezahlen sollten

Bosmas Wahl allerdings erinnert die Niederländer daran, dass der überragende Sieg der PVV bei der Parlamentswahl am 22. November politische Folgen nach sich zieht. Eine neue rechte Mehrheit hat Bosma in sein Amt befördert - und die extrem rechte, extrem nationalistische PVV dadurch symbolisch in die Mitte der Gesellschaft. Denn dort, über den Parteien, sollte der Parlamentspräsident thronen, wenn er Sitzungen leitet und die Kammer repräsentiert.

Martin Bosma, das ist nicht irgendwer. Der 59-Jährige aus dem Landstrich nördlich von Amsterdam zählt zu den frühesten Getreuen des früheren Rechtsliberalen Geert Wilders, der 2006 mit einer eigenen Gruppe ins Parlament einzog und sich verschärft auf das Thema Islamkritik kaprizierte. Das "Gehirn" von Wilders hat man ihn damals genannt, weil er, von Haus aus Intellektueller, den politischen Kampf seines blondierten Parteichefs vor allem ideologisch unterfütterte.

Gelegentlich setzte er aber auch Impulse für die praktische Politik, indem er etwa auf den Ausdruck "Kopflappensteuer" verfiel, die Wilders von Muslimen einforderte: Jede Muslima sollte eine Lizenz beantragen für das Tragen eines Kopftuchs, für 1000 Euro im Jahr. Mutmaßlich von ihm stammt auch jene berüchtigte Frage Wilders' an seine Anhänger, für die der Populist später vor Gericht landete: "Wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner?"

Lebenslanger Feldzug gegen die "linke Elite"

Bosma wuchs in einem eher linken Haushalt auf, studierte Politik an der Universität von Amsterdam, arbeitete längere Zeit als Journalist, vor allem fürs Radio. Politisch umgedreht wurde er bei einem Studienaufenthalt in New York, als er in Kontakt mit den Werken rechter Denker wie Leo Strauss oder Norman Podhoretz kam und sich von der "linken Eintönigkeit" abwandte, die in Amsterdam geherrscht habe.

Sein Wirken seither ist im Kern ein Feldzug gegen die "linke Elite". Diese Gruppe linker Hochgebildeter habe seit den 1960er-Jahren alle Schlüsselpositionen eingenommen. Sie schade dem Land vor allem dadurch, dass sie den Multikulturalismus verherrliche und blind sei gegenüber der mutmaßlich größten Gefahr, dem Aufmarsch des Islam, dieser "mittelalterlichen Wüsten-Ideologie", die die Herrschaft in Europa übernehmen wolle.

Alle, die diesen Zustand kritisierten, würden seit Jahrzehnten systematisch niedergemacht, nicht zuletzt mithilfe willfähriger, ebenfalls von links dominierter Medien. Den Widerständigen bleibe nichts anderes, als Krieg zu führen, einen "Kulturkrieg", in dem sich Bosma selbst als "Frontsoldaten" sieht. Dieses Weltbild teilt Bosma mit vielen europäischen und amerikanischen Hardcore-Identitären aus der "Counter-Jihad"-Bewegung, Menschen, die unterwegs sind auf Websites wie "PI-News" oder "Gates of Vienna", auf denen laut über eine mögliche Ausmerzung der Muslime in Europa nachgedacht wird.

Rassismus, Verschwörungsmythen und krasses Freund-Feind-Denken

Es basiert auf einem krassen Freund-Feind-Denken, purem Rassismus und antisemitischen Verschwörungserzählungen (gleichzeitig tritt Bosma, wie viele Gesinnungsgenossen, als vehementer Israel-Verteidiger auf). Es ist auch das Gedankengut, auf das sich rechtsextreme Attentäter wie der Norweger Anders Breivik berufen. Nicht zuletzt gefällt es Bosma, immer wieder den Sozialismus am Nationalsozialismus zu betonen und Hitler somit den Linken in die Schuhe zu schieben.

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"Die Journalisten", twitterte Bosma nach der Wahl, "kochen vor Wut über das Ergebnis, sie werden alles daran setzen, die PVV zu zerstören. Alles." Auch ihnen hat er es gezeigt, nun ist er also endlich Vorsitzender der Tweede Kamer, im dritten Anlauf nach 2016 und 2021 hat er es geschafft.

Seinen einzigen Konkurrenten, den Grünlinken Tom van der Lee, hat er auch deswegen besiegt, weil er über deutlich mehr persönlichen Charme und einen Hang zur Selbstironie verfügt. Er werde, versprach er, zwischen seinen Rollen als Kulturkampfsoldat und unparteiischer Schiedsrichter genau zu unterscheiden wissen. Gut möglich, dass ihm das tatsächlich gelingt, als stellvertretender Parlamentschef hat er das seit 2010 bewiesen.

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