Studieren in den Niederlanden? Dafür gibt es viele Gründe, gerade für Deutsche. Das Nachbarland hat ein hervorragendes Bildungssystem, ist international vernetzt. Kurse, die Ausländer besonders interessieren - wie Internationale Beziehungen oder Psychologie -, werden oft auf Englisch angeboten, in hoher Qualität, gegen überschaubare Studiengebühren. Im Trend-Fach Psychologie gibt es, anders als hierzulande, keine Zugangsbeschränkung über Noten. Noch dazu sind die Niederländer meist lässig und weltoffen. Und all die hübschen Städte: Maastricht, Utrecht, Leiden, Groningen, Delft! Von den Verlockungen Amsterdams zu schweigen.
Das hat sich herumgesprochen. So weit, dass die 14 niederländischen Universitäten sowie diverse Fachhochschulen inzwischen regelrecht überrannt werden von Ausländern. Deren Zahl hat sich in den vergangenen acht Jahren verdoppelt, auf 115 000 von insgesamt 340 000 Studierenden. Von den 115 000 sind 25 000 aus Deutschland. Im vergangenen Studienjahr kamen 40 Prozent der Erstsemester an den Universitäten aus dem Ausland. Ein Viertel der niederländischen Bachelor- und sogar drei Viertel der Master-Studiengänge sind inzwischen rein englischsprachig. Fast alle Doktorarbeiten werden auf Englisch verfasst.
Kritisiert wird das schon sehr lange, von fast allen politischen Lagern. Der Ansturm gehe auf Kosten der Einheimischen, heißt es. Viele Unis klagen über Überlastung der Dozenten, prallvolle Hörsäle, fehlende Unterkünfte. Mancherorts mussten Studierende schon in Zelten schlafen. Außerdem verschärft es die ohnehin bestehende Wohnungskrise.
Nun will die Regierung endlich eingreifen. An sich sei es positiv, dass das Land so attraktiv sei für ausländische Studierende, schrieb Bildungsminister Robbert Dijkgraaf in einem Brief ans Parlament. Davon profitierten auch Wirtschaft und Gesellschaft: "Die Niederlande sind keine Insel." Doch habe man ein wenig die Kontrolle verloren. "Neben dem Gaspedal brauchen wir eine Bremse und vor allem ein Lenkrad." Schon Anfang des Jahres hatte der studierte Physiker gesagt, dass das "Maximum" an internationalen Studierenden erreicht sei.
Gesteuert werden soll in erster Linie über die Sprache. Niederländisch müsse die Hauptsprache an den Hochschulen bleiben, meint Dijkgraaf, deshalb soll es künftig schwieriger werden, davon abzuweichen. Die Gäste aus dem Ausland werden gebeten, wieder mehr Niederländisch zu lernen. In einzelnen Fächern soll es künftig möglich sein, für die nicht niederländischsprachigen Angebote Kapazitätsobergrenzen zu verfügen. Außereuropäische Studierende sollen über "Notbegrenzungen" ferngehalten werden können, falls Kurse zu schnell volllaufen.
Niederlande:In der Touristenhölle von Amsterdam
Eine der schönsten Städte der Welt versinkt in der Flut der Drogen- und Sauftouristen. Was getan werden müsste, um den Spuk zu beenden, liegt auf der Hand. Warum geschieht es nicht?
Quoten für Studenten aus dem EU-Ausland wären nach Europarecht illegal
Das alles sind bisher nur Pläne und Vorschläge. Erst im Sommer soll ein Gesetz folgen, bis dahin will der Minister Vereinbarungen mit den Hochschulen treffen. Von "Maßarbeit" ist die Rede. Auch deshalb, weil die Hochschulen unterschiedliche Interessen haben. Einige in Randgebieten hätten gerne noch mehr Studenten, andere sind längst zu voll. Ein Aufruf Dijkgraafs und vieler Politiker, die umfang- und erfolgreiche Werbung um ausländische Studenten einzustellen, ist denn auch nur partiell befolgt worden. Das Grundproblem bleibt, dass die Universitäten umso mehr Geld vom Staat bekommen, je mehr Studierende sie anlocken, egal woher.
Für viele Unis wäre es ohnehin nicht leicht, die Geister, die sie riefen, wieder loszuwerden. Aus guten Gründen dürfen Studierende in der EU frei wählen, wo sie hinwollen. Politik und Universitäten könnten sich, wenn sie bei Einschränkungen unbedacht zu Werk gehen, schnell eine Klage wegen Diskriminierung einhandeln. Die meisten Unis warten daher ab, was im Gesetz stehen wird. Die Universität von Amsterdam hingegen ist schon vorgeprescht. Statt Quoten für Einheimische und Ausländer einzuführen, was illegal wäre, gibt es in Psychologie nun ein Fixum mit 260 Plätzen im niederländischsprachigen Angebot und 340 im englischsprachigen. Zudem werden Gäste, die keine Unterkunft haben, gebeten wegzubleiben.
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Die Klage der Universitäten, dass ihnen rechtlich die Hände gebunden seien, richtet sich gegen die Regierung, die sich extrem viel Zeit gelassen hat, um tätig zu werden. Schon vor fünf Jahren erregte die letztlich erfolglose Klage der Gruppe Better Onderwijs Nederland (BON) Aufsehen, die den Unis Twente und Maastricht vorwarf, mit ihren vielen englischsprachigen Kursen schlicht rechtswidrig zu handeln. Im Gesetz ist Niederländisch unzweideutig als Unterrichts- und Examenssprache festgelegt, mit engen Ausnahmen, die keinesfalls so viele Kurse auf Englisch rechtfertigen.
Niederländische Studenten und Dozenten könnten sich auf Englisch bei Weitem nicht so gut ausdrücken wie in der Muttersprache, in der sie denken, argumentiert BON. Das schade nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Demokratie. Bachelor-Kurse sollten daher nur noch auf Niederländisch angeboten werden, meint BON-Vertreter Felix Huygen. Dann seien auch Ausländer wieder willkommen.