USA:Mit 26 Notizbüchern an die Spitze von New York

Lesezeit: 2 min

Eric Adams auf einer Veranstaltung in Brooklyn. (Foto: BRENDAN MCDERMID/REUTERS)

Wieso alles danach aussieht, dass Eric Adams der zweite afroamerikanische Bürgermeister von New York wird.

Von Christian Zaschke

Im Jahr 1994 vertraute sich Eric Adams seinem Freund Bill Lynch an, einem früheren stellvertretenden Bürgermeister von New York. Eines Tages, sagte Adams, wolle er Bürgermeister der Stadt werden. Lynch, so erinnert sich Adams heute, gab ihm damals vier Ratschläge: Mach einen Studienabschluss, sammele Verwaltungserfahrung bei der Polizei, arbeite in Albany, dem Sitz des Gouverneurs des Bundesstaates New York, werde Präsident eines der fünf New Yorker Bezirke.

Adams hielt sich exakt an diese Marschroute, und 27 Jahre später sieht alles danach aus, dass er der zweite Afroamerikaner an der Spitze der Stadt wird, nach David Dinkins, der von 1990 bis 1993 regierte. Am Dienstagabend wurde Adams zum Sieger der demokratischen Vorwahlen ausgerufen. Da New York in der Regel demokratisch wählt, ist davon auszugehen, dass sich Adams bei den Bürgermeisterwahlen im November gegen den republikanischen Kandidaten Curtis Sliwa durchsetzt. Der amtierende Bürgermeister Bill de Blasio darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.

Nachdem der heute 60 Jahre alte Adams vor fast drei Jahrzehnten beschlossen hatte, dass er Bürgermeister werden will, begann er, seine Beobachtungen bezüglich der Stadt in Notizbücher zu schreiben. Mittlerweile habe er 26 Kladden gefüllt, sagt er. Auf diesen Notizen basiere sein Programm "100 Schritte für New York City". Darin kündigt er unter anderem an, 500 Millionen US-Dollar des Polizeibudgets für Krisenmanagement und Verbrechensprävention auszugeben. Vor allen Dingen aber erzählt er die Geschichte mit den Notizbüchern, um zu zeigen, dass er seit Langem bereit ist.

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Adams wurde in bescheidenen Verhältnissen im Bezirk Queens geboren. Im Alter von 15 wurde er von der Polizei festgenommen und, wie er sagt, von den Beamten geschlagen. Ein Pfarrer habe ihn überzeugt, später trotzdem Polizist zu werden. Er könne die Behörde gewissermaßen infiltrieren, habe der Pfarrer gesagt.

Er porträtiert sich als frühen Vorkämpfer für Gerechtigkeit

Adams wurde tatsächlich ein sehr sichtbarer Polizist, der zum Ärger seiner Vorgesetzten regelmäßig auf Fehlverhalten der Polizei hinwies. Manche der früheren Kollegen tragen ihm das bis heute nach. Ein ehemaliger Polizeisprecher sagte im Wahlkampf, es sei "lächerlich", dass Adams sich unter anderem auf seine Karriere bei der Polizei berufe, denn er habe sich dort in keiner Weise ausgezeichnet.

Das sieht Adams etwas anders. Er porträtiert sich als frühen Vorkämpfer für Gerechtigkeit. "Heute marschieren sie unter dem Slogan ,Black Lives Matter', das ist das zweite Kapitel", sagte er einmal, "das erste Kapitel war ich."

Adams zählt zum konservativeren Flügel der Demokraten. In den Neunzigerjahren gehörte er eine Zeit lang der republikanischen Partei an. Damals war der Republikaner Rudy Giuliani Bürgermeister, Adams erhoffte sich als Republikaner wohl bessere Aufstiegschancen. Seine Gegner warfen ihm im Wahlkampf daher Opportunismus vor, allen voran Maya Wiley, die zum linken Flügel der Partei gehört und von prominenten Kongressabgeordneten wie Alexandria Ocasio-Cortez unterstützt wurde.

Auch auf Bundesebene ist die Wahl von Adams von Bedeutung, weil sie als Zeichen für die künftige Ausrichtung der Demokratischen Partei interpretiert wird. Für den linken Flügel ist Adams' Wahl eine Schwächung, die Moderaten in der Partei sehen sich hingegen bestätigt: Wenn die Progressiven selbst in New York nicht gewinnen können, heißt es, dann können sie in der Mitte des Landes erst recht nicht gewinnen.

Was Adams im Wahlkampf fast am meisten schadete, war das Gerücht, dass er eigentlich in New Jersey wohne. Dieses Problem hat sich mit seiner Wahl erledigt. Sollte er erwartungsgemäß im November gewinnen, zieht er ins Gracie Mansion ein, den prachtvollen Sitz des Bürgermeisters in Manhattan.

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