Nach Tod von Nawalny:Außenministerium bestellt russischen Botschafter ein

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Kremlgegner Alexej Nawalny starb nach russischen Behördenangaben am 16. Februar in einem sibirischen Straflager. (Foto: Kirsty Wigglesworth/dpa)

Das Auswärtige Amt verlangt Erklärungen nach dem Tod des Oppositionspolitikers in einer Strafkolonie. Die bleibt aber aus. Der Fall sei eine innere Angelegenheit. Nawalnys Witwe kündigt derweil an, den Kampf ihres Mannes fortsetzen zu wollen.

Nach dem Tod von Alexej Nawalny hat das Auswärtige Amt den russischen Botschafter, Sergej Netschajew, einbestellt. Das teilte ein Ministeriumssprecher mit. Die Einbestellung ist eine Reaktion auf bisher ausbleibende Antworten aus dem Kreml zu den Umständen, unter denen der Oppositionspolitiker ums Leben gekommen ist.

Es sei erschütternd, dass Präsident Wladimir Putin versuche, die eigene Bevölkerung mundtot zu machen, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Es würden sogar Menschen verhaftet, die für Nawalny Blumen niederlegen wollten. "Unser Respekt gilt allen mutigen Menschen in Russland, die sich trotz schärfster Repressionen für Demokratie und Freiheit einsetzen." Man fordere zudem, dass der Familie die Leiche Nawalnys übergeben werde.

Nach dem Treffen äußerte sich auch die Botschaft mit ihrer Sicht auf die Dinge. Deutschlands Aufruf zur Aufklärung der Todesumstände werte man als Einmischung in innere Angelegenheiten. Das habe man der deutschen Seite auch mitgeteilt, schrieb die russische Botschaft in Berlin bei Telegram.

Deutschland und andere EU-Staaten wollen wegen Nawalnys Tod weitere Sanktionen gegen Russland auf den Weg bringen. Genutzt werden solle dazu ein spezielles EU-Sanktionsinstrument zur Bestrafung von schweren Menschenrechtsverstößen, erklärte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zum Auftakt eines EU-Außenministertreffens in Brüssel. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell plädierte dafür, das Sanktionsinstrument in "Nawalny-Menschenrechtssanktionsregime" umzubenennen.

Nawalnys Witwe will den Kampf für ein freies Russland fortsetzen

Zu dem Treffen der EU-Außenminister ist auch die Witwe des russischen Oppositionsführers, Julia Nawalnaja, eingeladen. Sie hatte am Vorabend erstmals seit dem Tod ihres Mannes im sozialen Netzwerk Instagram einen Beitrag abgesetzt - ein Foto, auf dem Nawalny sie liebkoste, mit den Worten: "Ich liebe dich". Tausende Menschen sprachen in Kommentaren Julia Nawalnaja Mut zu und wünschten ihr Kraft. Am Montagmorgen hatte der Eintrag mehr als eine halbe Million Aufrufe.

Am Montag veröffentlichte Nawalnaja dann ein neues Video. Darin kündigte sie an, den Kampf ihres Mannes für ein freies Russland fortsetzen zu wollen. "Ich rufe euch auf, an meiner Seite zu stehen", sagte sie. Unter Tränen warf die zweifache Mutter Kremlchef Putin vor, nicht nur ihren Mann getötet zu haben. Putin habe so auch versucht, Russland die Hoffnung auf Freiheit und Gerechtigkeit zu nehmen. Deshalb wolle sie den Kampf ihres Mannes nun fortsetzen. "Ich habe keine Angst", betonte Nawalnaja.

Nach Angaben der Sprecherin des Oppositionellen haben die Mutter und die Anwälte derweil weiter keinen Zugang zur Leiche des 47-Jährigen - und das dürfte auch noch eine Weile so bleiben. "Die Ermittler haben den Anwälten und der Mutter von Alexej gesagt, dass sie die Leiche nicht herausgeben", schrieb Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch am Montag auf X. Demnach wollen die Behörden die Leiche noch mindestens 14 Tage unter Verschluss halten, Grund seien "chemische Untersuchungen".

Nach offiziellen russischen Behördenangaben war der Gegner von Kremlchef Wladimir Putin am Freitag im Straflager gestorben. Er soll während eines Hofgangs bei eisigen Temperaturen zusammengebrochen sein. Wiederbelebungsversuche waren nach Angaben des Strafvollzugs erfolglos. Zu den Todesumständen gibt es allerdings noch viele offene Fragen. Nawalnys Team macht Putin für den Tod Nawalnys verantwortlich und wirft den Behörden Verzögerungstaktik vor.

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Von Frank Nienhuysen

Behörden versuchen, das öffentliche Gedenken zu verhindern

In Russland zeigten Menschen offen ihre Trauer - obwohl russische Gerichte bereits mehr als 200 Strafen gegen Trauernde verhängt haben. Viele legten an offiziellen Denkmälern für die Opfer politischer Gewalt Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Allein in St. Petersburg ordneten die Gerichte der Millionenmetropole gegen 199 Menschen Arrest oder Geldstrafen an, auch in der russischen Hauptstadt Moskau gab es mehrere solcher administrativen Strafen.

Behörden versuchen weiter, die spontanen Gedenkstätten zu zerstören, Blumen wurden in Mülltüten gestopft und abtransportiert. Auch westliche Botschafter legten in Moskau gegenüber der Geheimdienstzentrale an der Lubjanka Blumen nieder und erinnerten an Nawalnys mutigen Widerstand gegen Putin. Der russische Präsident, der in einem Monat wiedergewählt werden will, hat sich bisher nicht zum Tod Nawalnys geäußert.

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