Der in einem Straflager in einen Hungerstreik getretene Kremlgegner Alexej Nawalny ist in ein Krankenhaus für Gefangene verlegt worden. Er sei in eine Einrichtung auf dem Gelände eines anderen Straflagers gekommen, teilte der russische Strafvollzug in Moskau mit. Der Gesundheitszustand des Oppositionellen wurde demnach als "zufriedenstellend" bezeichnet. Nawalnys Team teilte dagegen mit, der 44-Jährige sei lediglich in ein anderes Straflager gebracht worden - und nicht in eine Klinik. International wächst die Sorge um die Gesundheit von Russlands bekanntestem Oppositionellem.
"Die Meldungen über den sich offenbar rapide verschlechternden Gesundheitszustand von Herr Nawalny sind in der Tat beunruhigend", sagte die Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin. "Alexej Nawalny benötigt eine adäquate medizinische Behandlung und auch Zugang zu Ärzten seines Vertrauens."
Nawalny isst seit fast drei Wochen nichts mehr, um so einen Arztbesuch durchzusetzen. Sein Team nannte am Wochenende Nawalnys Gesundheitszustand bedrohlich. Es warnte eindringlich wegen kritischer Kaliumwerte im Blut vor einem drohenden Herzstillstand. Der Oppositionspolitiker klagte zuletzt über Rückenleiden, Lähmungserscheinungen in den Gliedmaßen, Fieber und Husten.
Persönliche Ärztin widerspricht Behörden
Den Behörden zufolge wird der 44-Jährige jeden Tag von einem Allgemeinmediziner untersucht. "Mit Zustimmung des Patienten wurde ihm eine Vitamintherapie verschrieben", heißt es in der Mitteilung. Das Krankenhaus in dem Gebiet Wladimir östlich von Moskau sei auf "die laufende Beobachtung" solcher Patienten spezialisiert.
Nawalnys persönliche Ärztin Anastassija Wassiljewa widersprach im Kurznachrichtendienst Twitter der Darstellung der Behörden. Er sei nicht in ein Krankenhaus gebracht worden, sondern in ein anderes Straflager, in dem auch an Tuberkulose erkrankte Häftlinge behandelt werden könnten. "Dies ist überhaupt kein Krankenhaus, in dem Ärzte eine Behandlung für seine Probleme diagnostizieren können."
Nawalnys Schicksal löst international Anteilnahme aus. Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatović, forderte einmal mehr von Moskau die Freilassung des Oppositionellen.
USA drohen mit Sanktionen, falls Nawalny stirbt
Zuvor hatten schon die USA und EU die russische Führung aufgerufen, dem Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin medizinischen Zugang zu gewähren. Unabhängige Ärzte könnten auch nach der Verlegung nicht zu Nawalny, teilte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International mit. Ihm müsse aber rasch geholfen werden. Washington drohte sogar mit Konsequenzen, sollte Nawalny in Haft sterben.
Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte dazu in Moskau der Agentur Interfax zufolge, der Gesundheitszustand von Gefangenen in Russland habe im Ausland niemanden zu interessieren.
Das Team des Oppositionellen hat für den kommenden Mittwoch zu Protesten aufgerufen, damit Nawalny von einem unabhängigen Arzt behandelt wird - an dem Tag hat Putin eine Rede an die Nation geplant, bei der er normalerweise über internationale Themen und Probleme in Russland spricht. Die Behörden warnten vor einer Teilnahme an den nicht genehmigten Aktionen und kündigten ein hartes Durchgreifen wie bei den Protesten im Januar an.
Nawalnys Mitarbeiter Iwan Schdanow meinte: "Es ist klar, dass wir vor der Kundgebung eine "gute Nachricht" über Alexejs Gesundheit bekommen. Lasst Euch nicht davon täuschen."
Menschenrechtspreis für Nawalny
Zudem sieht er die Verlegung in das andere Straflager kritisch: "Beim Straflager IK-3 handelt es sich um ein ähnliches Folterlager, aber mit einem großen Krankenhaus, in dem Schwerkranke behandelt werden." Oppositionsnahe Medien berichteten, dass es in dem Gefängnis immer wieder Fälle von Gewalt und Folter von Gefangenen gegeben habe.
Unterdessen wurde bekannt, dass Nawalny den Menschenrechtspreis "Courage Award" für seinen Mut erhalten werde. Seine Tochter solle ihn stellvertretend entgegennehmen, hieß es. Die Auszeichnung wird von 25 Nichtregierungsorganisationen verliehen.
Nawalny hatte im vergangenen August in Russland einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok überlebt und war monatelang in Deutschland behandelt worden. Russlands bekanntester Oppositioneller wurde im Februar zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.