Nach der Wahlniederlage der Grünen greift der erste prominente Vertreter der Partei direkt die bisherigen Spitzenkandidaten an. "Leider ist trotz sehr guter Ausgangslage und hohen Engagements eine Menge zusammengekommen, was diese drastische Niederlage herbeigeführt hat", sagte der Europaparlamentarier und ehemalige Bundesvorsitzende Reinhard Bütikofer der Süddeutschen Zeitung (Dienstagausgabe). "Zum Beispiel hatte Jürgen Trittin als Spitzenkandidat ein starkes Mandat der gesamten Partei, nicht zuletzt der Realos. Aber aufgetreten ist er nur als Sprecher für den linken Flügel. Und Katrin Göring-Eckardt konnte dieses Defizit nicht ausgleichen."
Es gebe nun "kein Drumherumreden, zur Neuaufstellung gehört auch eine Neuaufstellung des Personals", so der Realo. "Der Bundesvorstand geht mit gutem Beispiel voran, aber die Hauptverantwortung lag bei anderen." Er präzisierte: "Auch in der Fraktion muss es einen Führungswechsel geben." Chef der Bundestagsfraktion war bislang Trittin, gemeinsam mit Renate Künast.
Kritik an Klammer-Bündnis mit der SPD
Bütikofer kritisierte auch die Strategie. "Das Wahlziel einer rot-grünen Regierung war richtig. Aber statt das Motto 'getrennt marschieren, gemeinsam regieren' zu beherzigen, haben sich SPD und Grüne so fest aneinandergeklammert, dass es zu einer asymmetrischen Selbstfesselung der Grünen geführt hat", sagte der ehemalige Parteichef. "Das hat am Schluss die Mobilisierung völlig untergraben." Außerdem, sagte Bütikofer, habe man es versäumt, europapolitisch eine Alternative zum Kurs der Kanzlerin zu formulieren.
Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin:Staatsschreck und Staatsmann
Unter seiner Führung sind die Grünen wieder einstellig geworden, das Ergebnis zwang ihn nun zum Rücktritt vom Fraktionsvorsitz: Jürgen Trittin, ehemaliger Grünen-Spitzenmann, macht schon seit drei Jahrzehnten Politik, konnte aber den Absturz seiner Partei kurz vor der Wahl nicht verhindern. Auch seine radikale Vergangenheit spielte dabei eine Rolle.
Kritik kam auch von anderen Realos. "Natürlich haben wir uns zu weit links aufgestellt", sagte Robert Habeck, Energiewendeminister in Schleswig-Holstein, der SZ. "Wir sind ununterscheidbar von der SPD geworden. Aber da sind wir alle mit im Boot." Auch er selbst habe beim Parteitag "nicht dagegengehalten".