Selbst Wladimir Putins haushoher Sieg bei den Präsidentschaftswahlen kam nicht ohne Wehrmutstropfen aus: Ausgerechnet in Moskau, der russischen Hauptstadt, verfehlte der derzeitige Premierminister die absolute Mehrheit. Ein Fünftel der Stimmen gingen an einen Kandidaten, der erst kurz vor den Wahlen die politische Bühne betreten hatte: der Milliardär Michail Prochorow, drittreichster Mann Russlands, Besitzer eines amerikanischen Basketball-Clubs und Chef eines Investmentfonds.
Prochorows Programm entsprach in vielerlei Hinsicht dem der oppositionellen Protestbewegung, die sich nach den von Fälschungsvorwürfen überschatteten Parlamentswahlen im Dezember 2011 gebildet hatte. Er will die Wirtschaft modernisieren, Korruption abbauen, die Staatsmonopole zerschlagen und die Medien vom Einfluss des Kreml befreien. Außerdem hat er versprochen, den 2003 verhafteten Ex-Yukos-Chef und Kremlkritiker Michail Chodorkowskij freizulassen.
Kein Wunder also, dass Prochorows Programm vor allem bei der städtischen Mittelschicht gut ankam - hier ist die Unzufriedenheit über Putins Kontrollstaat besonders groß. Nach der Wahl hat der Milliardär nun angekündigt, eine eigene Partei zu gründen.
Das ist auch dem designierten Präsidenten Putin nicht entgangen. Der hat nun mitgeteilt, dass er nichts dagegen hätte, Prochorow schon etwas früher zu mehr Verantwortung zu verhelfen: als Teil der neuen Regierung, die er derzeit mit Noch-Präsidenten Dmitrij Medwedjew zusammenstellt. "Er ist eine ernsthafte Persönlichkeit und ein guter Unternehmer", sagte Putin am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Der Milliardär könnte "in der Regierung gebraucht werden - wenn er es denn selbst möchte".
Putin, so scheint es, nimmt Prochorow ernst - und will ihn an sich binden, bevor er zu einer ernsthaften Konkurrenz werden könnte. In der Politik ist es schließlich keine schlechte Taktik, den Gegner so lange zu umarmen, bis er keine Luft mehr bekommt. Michail Prochorow weiß das - er lehnt bisher eine Tätigkeit in der neuen Regierung strikt ab.
Ohnehin wäre es um seine schöne neue Beliebtheit, sollte es zu einem Schulterschluss mit Putin kommen, wohl genauso schnell wieder geschehen, wie sie entstanden ist. Eine Regierungsbeteiligung Prochorows würde jene in ihren Befürchtungen bestätigen, die in ihm von Anfang an nur eine Marionette des Kreml sahen. Seine Kritiker warfen Prochorow vor, dass er in Wahrheit ein Verbündeter Putins sei - und für diesen die unzufriedene Mittelschicht ködern solle.
Auch das wäre ein in der russischen Politik durchaus übliches Vorgehen. So steht auch Gerechtes Russland, die Partei des erfolglosen Präsidentschaftskandidaten Sergej Mironow, in dem Ruf, abtrünnige Wähler der Kremlpartei Einiges Russland aufzusammeln. Mironows Partei bezeichnet sich selbst als sozialdemokratisch, also dem linken politischen Spektrum zugehörig. In der Duma, dem russischen Parlament, stimmen die Abgeordneten jedoch meist brav mit der Putin-Partei Einiges Russland ab.
Würde Prochorow zur Regierung gehören, wäre es auch mit seiner Unabhängigkeit wohl schnell vorbei. Zu der links von Putin stehenden Marionette Mironow käme dann noch eine liberale Marionette hinzu. Ein echter Herausforderer Putins wäre der Milliardär nicht mehr - das gelänge nur mit einer eigenen Partei.