Es klingt wie eine Absolution. Amerikas Verteidigungsminister spricht Pakistans Oligarchie vom Verdacht frei, sie habe Terrorchef Osama bin Laden jahrelang versteckt. Robert Gates sieht "keinen Beweis" dafür, dass Präsident oder Premier, Armeeführung oder Geheimdienstchef in Islamabad davon wussten, dass der meistgesuchte Mann in einem Haus nahe der wichtigsten Militärakademie des Landes untergekommen war. Irgendein "Jemand" in Pakistan habe Bin Laden zwar geholfen - aber wer das sei, so bedauert Gates, wisse er nicht.
Gates beschwichtigt, will beruhigen, in Washington wie in Islamabad. In beiden Hauptstädten lodert seit der Tötung die Empörung. Pakistans Generäle fühlen sich bloßgestellt - mindestens als inkompetente Trottel oder eben als heimliche Helfershelfer. Und die politische Klasse des Landes schwadroniert mit nationalistischen Parolen. Derweil eskaliert in Washington die anti-pakistanische Polemik: Mehr und mehr Kongresspolitiker fordern, dem angeblich untreuen Verbündeten die jährlich etwa drei Milliarden Dollar US-Hilfe zu kappen.
Dieser kalte Krieg gerät außer Kontrolle. Gates bangt um Amerikas Nachschubwege nach Afghanistan. Und er vernimmt mit Schrecken, dass sich pakistanische Soldaten und ein Nato-Hubschrauber bereits ein Feuergefecht lieferten. Also: Freispruch plus Mahnung zur Milde. Nur, dies ist bestenfalls ein Urteil in erster Instanz. Hunderte US-Experten werten derzeit noch all die Computer aus, die die Navy Seals in Bin Ladens Versteck konfisziert hatten. Da könnte sich der Hinweis finden auf Pakistans "Jemand". Wehe, wenn die Spur nach oben führt. Dann müssen Gates, die USA und die Nato sich bitter korrigieren.