Nicht nur Sarah Palin, die Heroin aller Rechten, stachelte ihre Anhänger mit martialischen Sprüchen auf ("Gebt nicht auf, ladet nach!"). Auch Demokraten vergriffen sich im Ton: "Wenn sie mit dem Messer in den Kampf ziehen, dann bringen wir eine Knarre mit", sprach Obama im Wahlkampf 2008. Das Publikum johlte.
Auch jetzt, da das Blut vergossen ist, bleiben beide Lager unter sich. Die Linke suhlt sich in dem selbstgefälligen Gefühl, nur unschuldiges Opfer zu sein - und erklärt die Rechte zum Mittäter. Derweil mühen sich die Republikaner ab, Tucson zum Werk eines einzelnen Irren zu reduzieren, der nichts mit Politik zu habe; und schon gar nichts mit Sarah Palin, die voriges Jahr den Wahlkreis Gabby Giffords mit dem Fadenkreuz eines Zielfernrohres markiert hatte. Tucson, so erteilt sich Amerikas Rechte eilfertig selbst die Absolution, könne immer passieren. Und überall.
Jetzt ist es passiert, genau dort, in Arizona, dem einst Wilden Westen, wo die politische Kultur noch einen Tick rauer, noch härter ist als in Washington. Linke und Rechte leben nebeneinander her, in strikt getrennten Welten, in separaten Siedlungen und Suburbs. Man bleibt unter sich in Arizona, man kennt fast niemanden aus dem anderen Lager. Da wird der Gegner noch schneller zum Feind.
Nach Minuten der Besinnung zurück zur Kampfkultur
Außerdem leistet sich Arizona ein Waffengesetz in der Tradition von Billy the Kid: Nirgendwo sonst konnte Jared Loughner, der Attentäter, seine halbautomatische Pistole samt Großmagazin so leicht und legal erstehen wie hier. Die Waffe bleibt Teil der Identität. Und aus der fernen Hauptstadt, in der per Bundesgesetz eine strengere Vorschriften hätte erlassen werden können, kommt ebenfalls kein Schutz.
Obama hatte einst versprochen, er werde als Präsident ein 2004 ausgelaufenes Verbot von Handfeuerwaffen wie der Glock 19, jenem in Tucson missbrauchten Mordwerkzeug, neu auflegen. Dieses Ansinnen hat er längst aufgeben. Auch dies ist eine Konzession an die bleierne Kultur von Washington: Niemand mag sich dort mit der allmächtigen Waffenlobby anlegen.
Nein, es gibt kein Allheilmittel gegen Attentäter. Keine noch so harmonische Konsensdemokratie, kein noch so strenges Waffengesetz kann einen Amokläufer stoppen. (Deutsche Besserwisser mögen sich an die Tatorte Erfurt und Winnenden erinnern). Dennoch, Amerika macht es seinen Mördern zu leicht. Nach den Minuten der Besinnung regiert in Washington eine Kampfkultur weiter, deren Hauptdarsteller sich im Ergebnis der fahrlässigen Beihilfe zum Totschlag schuldig machen.