Nach dem Attentat auf Gabrielle Giffords:Die Saat des Hasses

Nur kurz durchatmen, dann schlagen sie wieder aufeinander ein: Der Kampf zwischen Linken und Rechten in den USA hört auch nach dem Attentat von Arizona nicht auf. Das Land befindet sich in einer Art permanentem Bürgerkrieg. So etwas schleift sich ein. "Vereinigte Staaten" - das war einmal.

Christian Wernicke

Amerika hat innegehalten. Mit einer Minute des Schweigens gedachte das Land am Montag der sechs Toten von Tucson. Erschöpft hingen die Stars and Stripes über Washington, dem alltäglichen Schlachtfeld politischer Kämpfe, auf halbmast. Wenigstens für einen Augenblick mochte es so aussehen, als könne diese Nation zur Besinnung kommen angesichts der Bluttat von Arizona.

Members of Congress and other Capitol Hill staffers observe a moment of silence on the steps of the U.S. Capitol for Arizona Congresswoman Giffords in Washington

Regierungsmitarbeiter und Kongressabgeordnete hielten vor dem Kapitol kurz bei einer Schweigeminute inne - doch bald kehrte die alte Kampfkultur in der politischen Auseinandersetzung zurück.

(Foto: REUTERS)

Doch der Eindruck trog. Dieser Moment der Einkehr bot nicht mal Zeit zum Luftholen. Danach schlugen rechts und links wieder munter aufeinander ein. So wie sie es eben immer tun in diesem Gemeinwesen, das sich - welcher Zynismus - einst die "Vereinigten Staaten" taufte. Diese im Inneren gespaltene Gesellschaft kann nicht anders: Selbst angesichts von Mord und Totschlag fallen die politischen Lager übereinander her.

Die Schüsse eines offenbar verwirrten jungen Mannes, der eine demokratische Abgeordnete zur Hölle schicken wollte und um ein Haar 20 Landsleute umgebracht hätte, waren kaum verhallt, da begann schon der politische Grabenkrieg um die Deutung dieser Tragödie.

Die wohlfeilen Mahnungen, die besonnenen Worte des Präsidenten, schienen binnen Minuten vergessen und verdrängt zu sein. So auch der Satz des Sprechers des Repräsentantenhauses, John Boehner, wonach "ein Angriff auf einen von uns ein Angriff auf alle von uns" sei.

Vom Parteienkampf zum permanenten Bürgerkrieg

Der Welt älteste Demokratie ficht ihre Schlachten seit jeher ungehemmter, ja ruchloser aus, als Europäer dies tun. Auch war Amerikas Politjargon schon immer brutaler: Überall lauert ein "Showdown", Krieg wird gegen den Terror wie gegen die Armut, gegen Drogen und selbst gegen das Schneegestöber von New York geführt. So etwas schleift sich ein. So etwas stumpft ab.

Nur, in den vergangenen zehn, 15 Jahren eskalierte der Parteienkampf zu einer Art permanentem Bürgerkrieg. Streng linientreue Kabelsender und strikt parteiische Agitprop-Blogger im Internet wiegeln auf. So ziehen Demokraten wie Republikaner in jedes Gefecht, als stünde der finale Aufstieg oder der endgültige Untergang ihrer Nation bevor. Die Demokraten bekämpften George W. Bush aufs Messer, und seit 2009 wähnt sich nun Amerikas Rechte in gleichsam heiliger Rebellion gegen den mutmaßlichen Leviathan namens Barack Obama.

Allen voran die Tea-Party-Bewegung begründet ihr lautes, oft hasserfülltes Treiben mit einem schwülstigen Diktum von Gründervater Thomas Jefferson, wonach "der Baum der Freiheit von Zeit zu Zeit mit dem Blut der Patrioten und Tyrannen" gelabt werden müsse.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: