Mullah Baradar:Pakistan und USA fassen Militärchef der Taliban

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Mullah Baradar, Stellvertreter des Extremisten-Führers Mullah Omar, soll in Karatschi festgenommen worden sein.

Tobias Matern

Das Dementi ließ nicht lange auf sich warten. Die Berichte über Mullah Abdul Ghani Baradars Verhaftung seien erfunden, er gehe weiterhin seiner Aufgabe nach und organisiere den Widerstand gegen die westlichen Truppen in Afghanistan, teilte ein Sprecher der Taliban am Dienstag mit.

Pakistan und die USA berichten öffentlich über eine gemeinsame Operation ihres Militärs (hier pakistanische Soldaten bei einer Übung) - das ist neu. (Foto: Foto: dpa)

Aus Washington und Islamabad kamen ganz andere Meldungen. In einer gemeinsamen Aktion des amerikanischen und pakistanischen Geheimdienstes sei Baradar in der südpakistanischen Hafenstadt Karatschi ergriffen worden, hieß es.

Er gilt als der bislang ranghöchste Vertreter der 2001 in Kabul gestürzten Islamisten, der den Amerikanern ins Netz gegangen ist. Baradar soll als Militärchef der Taliban fungiert haben und ein Vertrauter oder gar Stellvertreter des afghanischen Extremisten-Führers Mullah Omar sein.

Journalisten der New York Times wussten nach eigenen Angaben bereits seit Tagen von der Verhaftung, die Zeitung berichtete als erste über die Aktion. Das Weiße Haus hatte zunächst darum gebeten, die Nachricht zurückzuhalten, um Vertraute Baradars in Sicherheit zu wiegen.

Am Dienstag gaben dann ausschließlich anonyme Vertreter der Regierung oder des Militärs in Washington und Islamabad zu Protokoll, der militärische Planer der Taliban sei tatsächlich in Gewahrsam und werde vernommen.

Neu ist, dass Pakistan und die USA öffentlich über eine gemeinsame Operation berichten. Die Amerikaner hatten sich bislang stets verstimmt über den offiziellen Anti-Terror-Verbündeten geäußert, der Extremisten nicht entschieden genug bekämpfe, ihnen sogar Unterschlupf auf seinem Terrain gewähre - eine Anschuldigung, die Islamabad stets zurückweist.

Pakistan bringt sich dieser Tage wegen seiner traditionell engen Bande zu den afghanischen Taliban als Vermittler für Gespräche des Westens mit den Aufständischen ins Gespräch. Das Nachbarland Afghanistans plant bereits für die Zeit, wenn der Westen seine Soldaten abgezogen haben wird und sieht die Taliban als künftigen Machtfaktor in Kabul, zu dem es gute Beziehungen haben will.

Ein US-Vertreter berichtete nach Angaben eines US-Fernsehsenders, Baradar gebe während der Vernehmungen wichtige Informationen preis, die Operation sei "ein großer Erfolg" gewesen. Unabhängige Beobachter waren zurückhaltender.

Ob Baradars Festnahme die Islamisten schwächt, muss sich zeigen

Zwar sei Baradar, über den es kaum gesicherte Informationen gibt, tatsächlich aus dem Taliban-Führungsgremium um Mullah Omar, sagte ein pakistanischer Sicherheitsexperte. Aber ob seine Festnahme die Islamisten schwächen werde, müsse sich noch zeigen.

Der Experte erklärte, die Amerikaner hätten sich in letzter Zeit intensiv darum bemüht, ihre Geheimdienstaktivitäten in den pakistanischen Stammesgebieten und auf afghanischer Seite der Grenze auszuweiten. In dieser Region wird nach Einschätzung Washingtons der Kampf gegen den Terrorismus entschieden.

Die Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan lässt sich nicht komplett sichern, was den Extremisten in die Hände spielt. Sie ziehen sich bislang meist auf die pakistanische Seite zurück, wenn die Nato-Truppen im Süden Afghanistans ihre Präsenz erhöhen. Stammesangehörige erhielten Geld, um Informationen über die Bewegung der Taliban zu liefern, sagte der pakistanische Sicherheitsexperte.

Der Westen verfolgt in der instabilen Region nun einen mehrgleisigen Ansatz. Die Taliban in Afghanistan sollen zu Verhandlungen bewegt werden und Teil einer politischen Lösung werden - was die Aufständischen bislang stets abgelehnt haben. Sie sehen sich als Befreiungskämpfer gegen einen Besatzer und wollen bisher nur dann mit der Regierung des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai reden, wenn der Westen seine Truppen komplett abzieht.

Seit dem Wochenende sind in der südlichen Provinz Helmand 15 000 afghanische, amerikanische und britische Soldaten im Kampfeinsatz gegen die Aufständischen - sie sollen auch militärisch unter Druck gesetzt werden. Die sogenannte Operation Muschtarak ("Gemeinsam") ist die größte militärische Offensive seit dem Sturz der Taliban im Dezember 2001.

Am Dienstag hieß es aus dem Kampfgebiet, es komme noch zu kleinen Gefechten. Die Taliban haben in der Region nach Angaben des Militärs vor allem zahlreiche Sprengfallen versteckt. Ein Beobachter sagte, etliche Islamisten seien vor den Truppen geflüchtet und hätten in anderen Gebieten Unterschlupf gefunden. Bislang seien 30 Taliban-Kämpfer getötet worden. Dafür gab es zunächst aber keine offizielle Bestätigung.

Die Nato, die nach der Offensive eine zivile Regierung errichten und damit auch das Vertrauen der enttäuschten Zivilbevölkerung zurückgewinnen will, teilte mit, es seien erneut unbeteiligte Zivilisten in der umkämpften Provinz Helmand ums Leben gekommen. Versehentlich hätten Soldaten drei Zivilisten erschossen. Bereits am Sonntag waren zwölf Menschen gestorben, als eine Rakete ihr Ziel verfehlte.

© SZ vom 17.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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