Mubarak in Untersuchungshaft:Ägypten rechnet mit dem Pharao ab

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Er werde auf Heimaterde sterben, hatte Hosni Mubarak während der Revolte pathetisch verkündet. Dass ihm nun der Strang droht, hatte er sicher nicht gedacht. Denn schon die Untersuchungshaft des arabischen Ex-Potentaten ist beispiellos.

Sonja Zekri, Kairo

Dass auf die Generalprobe so schnell die Wirklichkeit folgen würde, hätten wohl selbst erbitterte Gegner von Ex-Präsident Hosni Mubarak nicht gedacht. Am Freitag inszenierten die Protestierenden auf dem Tahrir-Platz in Kairo vor Hunderttausenden ein Gerichtsverfahren gegen den gestürzten Pharao - nach einem leidenschaftlichen Plädoyer forderte die Staatsanwaltschaft die Todesstrafe.

Hosni Mubarak - der Despot ist tief gefallen. (Foto: dpa)

Fünf Tage später, am frühen Mittwochmorgen, verkündet die ägyptische Staatsanwaltschaft auf ihrer Facebook-Seite, dass sie eine 15-tägige Untersuchungshaft gegen Mubarak und seine Söhne Alaa und Gamal verhängt hat. Die Vorwürfe: Mubarak soll sich im Amt bereichert haben, Land unter Wert verkauft, Milliarden auf Konten in Amerika, Großbritannien und der Schweiz geschafft haben, außerdem, dies ist das schwerwiegendste, muss er sich für die mehr als

800 Toten während der 18-tägigen Proteste verantworten. Wird er schuldig gesprochen, droht ihm der Strang. Er werde auf ägyptischer Erde sterben, hatte Mubarak während der Revolte pathetisch verkündet. An diese Variante hatte er sicher nicht gedacht.

Und selbst wenn es so weit nicht kommt: Schon jetzt ist die Untersuchungshaft des arabischen Ex-Potentaten präzedenzlos, nicht nur in diesem blutigen arabischen Frühling: Iraks Saddam Hussein wäre ohne amerikanische Hilfe weder gefasst noch gehenkt worden. Tunesiens Ex-Präsidenten Ben Ali floh Mitte Januar rechtzeitig nach Saudi-Arabien. Die juristische Abrechnung mit Mubarak aber führt Ägypten allein.

Seit die ägyptische Armee den Potentaten nach 30 Jahren an der Macht am 11. Februar zum Abgang gedrängt hat, hatten die Mubaraks in ihrer Residenz im Sinai-Badeort Scharm el-Scheich ein provozierend beschauliches Leben geführt. Gewiss, sie standen unter Hausarrest, ihre Konten waren eingefroren, sie durften das Land nicht verlassen. Aber der Oberste Militärrat, dessen betagte Mitglieder unter Mubarak jahrzehntelang von Privilegien und Wirtschaftsvorteilen profitiert hatten, scheuten entschiedenere Schritte.

Für viele Ägypter war dies immer weniger vermittelbar: Je deutlicher viele begriffen, dass die Revolution ihnen - vorerst - vor allem höhere Lebensmittelpreise, mehr Kriminalität und ein beängstigendes politisches Vakuum gebracht hatte, desto höher wurden die Erwartungen an den Prozess gegen Mubarak. Von den wenn auch nicht 70, so doch vielleicht 40 oder auch nur 15 Milliarden des Herrschers müsste doch, so die etwas naive Hoffnung, rasch einiges zurückzuholen sein.

Der greise Ex-Despot drohte, trotzte, markierte den Sterbenskranken: Nachdem er am Sonntag in einer Fernsehrede alle Korruptionsvorwürfe abgestritten, Hilfe bei den Ermittlungen angeboten und den "Verleumdern" mit Klagen gedroht hatte, legte sich Mubarak - dessen Gesundheit einst wie eine Frage der nationalen Sicherheit behandelt wurde, der Journalisten nach Artikeln über den maladen Herrscher ins Gefängnis geworfen hatte - am Dienstag einfach ins Krankenhaus. Die Aussicht auf das bereits angekündigte Verhör durch die Staatsanwaltschaft, sollte das heißen, war einfach zu viel für ihn.

Auch die Söhne kassierten ab

Hier, vor der gläsernen Pyramide des International Hospital von Scharm el-Scheich, trat am Mittwoch im Morgengrauen Generalmajor Mohammed el-Chatib vor die aufgebrachte Menge und sprach das so lange Undenkbare aus: "Brüder, ihr bekommt, was ihr verlangt: 15 Tage." Während Vater Mubarak - vorerst - noch im Krankenhaus blieb, wurden die Söhne Alaa und Gamal in einem Militärflugzeug nach Kairo geflogen. Gegen 6 Uhr morgens erreichten sie dort das Tora-Gefängnis. Seitdem tragen sie nach Agenturangaben weiße Gefängniskleidung und Handschellen.

Ausgerechnet Tora: Hier sperrte Mubaraks Polizeistaat Regimegegner weg, vor allem die Muslimbrüder. Nun aber sind die Islamisten entlassen, nun treffen Gamal und Alaa auf Getreue aus alten Zeiten, einstige hohe Tiere der einstigen Monopolpartei NDP wie Safwat El-Scherif, den ehemaligen Vorsitzenden des Schura-Rates, den verhassten Stahlmagnaten Ahmed Ess, Ex-Innenminister Habib El-Adly und Ex-Premier Ahmed Nasif. Auch ehemalige Minister für Wohnungsbau, Tourismus und Handel sitzen inzwischen in Haft.

Und nun also die Brüder Mubarak: Alaa, der Ältere, Geschäftsmann, hatte keine politischen Ambitionen, aber soll bei Investoren kriminell abkassiert haben. Gamal, der Jüngere, wechselte vom Investmentbanking an die Spitze der einstigen Regierungspartei NDP, für die er die letzten Parlamentswahlen im Herbst drastisch manipuliert haben soll. Er wurde lange als Nachfolger hofiert, umso mehr verabscheuen ihn viele. Beide sehen sich ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt wie ihr Vater, beiden drohen ähnliche Strafen. Bald könnte es auch Mubaraks Frau Susanne treffen, die die Konten der Bibliothek in Alexandria wie eine private Schatzschatulle genutzt haben soll.

Bis zu zwei Wochen können die Ermittlungen gegen Mubarak dauern, vermuten Juristen, bis zu einem halben Jahr der Prozess vor einem Strafgericht. Bislang haben die Mubaraks nicht mal einen Verteidiger.

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