Monarchie im Nahen Osten:"Walid ist ein Diamant in Saudi-Arabien"

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In mikroskopisch kleinen Schritten bewegt sich Saudi-Arabien in Richtung Demokratie. Mit Kritik aber kann die Wüsten-Monarchie weniger umgehen denn je. Das zeigt die Geschichte der Liebenden Samar und Walid, die sich gegen das saudische Recht auflehnten.

Von Sonja Zekri

Menschenrechtsgeschichten sind oft Dramen, selten Romanzen. Die Geschichte von Samar und Walid aber ist beides, dramatisch und romantisch. Typisch ist sie auch - für Saudi-Arabien im Jahr 2014 und sein Verhältnis zu Kritikern.

Bevor Samar Badawi Aktivistin wurde, war sie selbst ein Opfer gewesen. Ihr Vater schlug und tyrannisierte sie. Er fühlte sich sicher, er war ja ihr "Wächter", so nennt das saudische Recht die Gängelung der Frauen durch Väter, Brüder, Ehemänner. Ohne deren Erlaubnis dürfen saudische Frauen nicht reisen und sich nicht operieren lassen. Samar aber verklagte ihren Vater, der sie dafür ins Gefängnis werfen ließ. Dort traf sie Walid Abu al-Cher, den Anwalt. Sieben Monate kämpfte er für sie, befreite sie. Dann heirateten sie.

Heute erwartet Samar ihr erstes Kind, eine Tochter. Hochschwanger sitzt sie in ihrer Wohnung im Norden von Dschidda bei Pistazien und Tee und sagt: "Walid ist ein Diamant in Saudi-Arabien, er brennt für Gerechtigkeit. Und er bringt mich zum Lachen." Sie organisierten freie Debatten in Dschidda, der weltoffenen Hafenstadt. Walid unterstützte Samar, als sie sich ans Steuer setzte; Autofahren ist für Frauen in Saudi-Arabien verboten. Und er wagte es, die Verteidigung von Raif Badawi zu übernehmen, Samars Bruder, der für seinen Blog "Saudischer Liberaler" gerade zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilt wurde. Nun hofft seine Familie auf Berufung.

Samars Telefon klingelt. Es ist Walid. Aus dem Gefängnis. Der Anwalt wurde Mitte April selbst verhaftet, direkt aus dem Gerichtssaal. Am Mittwoch ist seine neue Verhandlung. Angeblich soll er "Ungehorsam gegenüber dem König" gezeigt haben. Trotzdem gibt er sich zuversichtlich: "Keine Ahnung, was sie mir am Mittwoch vorwerfen wollen. Aber ich lasse mich nicht unterkriegen."

Twitter-Kampagne für die Freilassung Walids

Auch andere Menschenrechtsaktivisten - lange zähneknirschend toleriert - spüren neuen Druck. Amnesty International zählte im vergangenen Jahr ein Dutzend Verurteilungen, ein saudischer Anwalt sprach vom "schlimmsten Jahr" für die Menschenrechte. Zwei prominente Aktivisten, Mohammad al-Qahtani und Abdullah al-Hamid, wurden zu mindestens zehn Jahren Gefängnis verurteilt, für ähnliche Vorwürfe, wie sie nun gegen Walid Abul al-Cher erhoben werden. Und dies verrückterweise in einem Moment, in dem alle, auch Samar, ihrem Land Veränderungen attestieren - mikroskopisch kleine zwar nach den Maßstäben westlicher Demokratien, gewaltig aber für ein Land, das erst vor 50 Jahren die Sklaverei abgeschafft hat.

Es tut sich etwas bei den Frauenrechten, sagt Samar, auch in Fragen der Zivilgesellschaft: "Wer hat sich früher darum geschert, wenn jemand im Gefängnis saß? Heute gibt es eine Twitter-Kampagne, um Walid zu befreien. Viele Menschen unterstützen uns."

Aber die Regierung steht unter Druck: Das Verhältnis zu Amerika ist schlecht, weil Washingtons Verhältnis zu Iran gerade besser wird. Die Integration der nächsten Prinzengeneration in die Thronfolge ist ungeklärt. Der Mers-Corona-Virus hat fast 180 Menschenleben gekostet. "Sie haben genug Probleme, da wollen sie nicht auch noch Kritik von Menschenrechtsaktivisten hören", sagt Samar. "Sie wollen uns zum Schweigen bringen."

© SZ vom 27.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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