Die Spitze der SPD wird vermutlich in der kommenden Woche ein erstes Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und anderen Unionspolitikern über die parteiintern umstrittene Bildung einer neuen großen Koalition führen. Ein kleiner Parteitag billigte am Freitag einen Vorschlag des Vorsitzenden Sigmar Gabriel für das Prozedere in dieser Frage, eine Art Fahrplan für Verhandlungen. Die etwa 200 Delegierten stimmten nach Angaben von Teilnehmern mit breiter Mehrheit für eine entsprechende Empfehlung des Parteivorstandes.
Auf der nicht-öffentlichen Parteiversammlung hatte zunächst SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück die Verantwortung für das Wahlergebnis von nur 25,7 Prozent übernommen und seinen Rückzug aus der ersten Reihe der Politik angekündigt. Er strebe kein Amt mehr in der Partei und in der Bundestagsfraktion an. "Meine Karriere wird ein geordnetes Ende finden", sagte Steinbrück laut Teilnehmern. "Ich bin für das Ergebnis verantwortlich." Falls es zu Koalitionsverhandlung kommt, wolle er sich aber noch beteiligen.
In dem beschlossenen Antrag zu möglichen Koalitionsverhandlungen heißt es: "Wir verweigern uns keinen Gesprächen." Allerdings stehe man nicht für eine Fortsetzung des schwarz-gelben Kurses zur Verfügung, sondern nur für einen "Politikwechsel". Grundlage jeglicher Verhandlungen sei das SPD-Programm für die Bundestagswahl. Das letzte Wort über eine Neuauflage von Schwarz-Rot sollen demnach die gut 470.000 SPD-Mitglieder bekommen.
Nach dem Willen der Spitze sollen die 200 Delegierten des kleinen Parteitags frühestens Ende kommender Woche entscheiden, ob es nach dem Sondierungsgespräch echte Koalitionsverhandlungen mit der Union geben darf. Deren Ergebnisse würden dann der Basis vorgelegt. So erfüllt Gabriel Forderungen nach intensiver Mitgliederbeteilung. Im SPD-Apparat, aber auch an der Basis gibt es Widerstand gegen eine große Koalition, aus Sorge, dann Anhänger zu verärgern und Wahlen zu verlieren.
Befragung der Basis könnte bis Mitte November stattfinden
Noch ist unklar, wann und in welcher Form die Basis abstimmen soll. Falls es zu Koalitionsverhandlungen kommen sollte und diese zügig beendet werden, könnte eine Befragung noch vor dem regulären SPD-Parteitag Mitte November organisiert werden. Falls sich die Gespräche hinziehen sollten, könnte ein Entscheid auch nach dem Parteitag stattfinden. Das Votum der Mitglieder wäre auf jeden Fall bindend, verlautete aus der SPD-Führung.
Am frühen Nachmittag hatte sich die engere SPD-Führung auf den Fahrplan verständigt. An dem Treffen hatte auch die stellvertretende Parteivorsitzende und nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft teilgenommen, deren Landesverband energisch gegen eine große Koalition protestiert hatte. In der Runde habe "seltene Eintracht" in der Frage geherrscht, sagten Teilnehmer. Man wolle Themen wie den Mindestlohn, Arbeitsmarktreformen, höhere Steuern zugunsten von Bildung und Kommunen in das Zentrum möglicher Verhandlungen rücken.