Myanmar:Mit Bomben gegen die Bürger

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Machtdemonstration zum zweiten Jahrestag des Putschs: General Min Aung Hlaing, Chef des Militärrates von Myanmar, bei einer Parade in der Hauptstadt Naypyidaw. (Foto: Aung Shine Oo/DPA)

Zum "Tag der Streitkräfte" hält der Chef der Militärjunta in dem südostasiatischen Staat eine seiner seltenen Reden. Er offenbart eine bizarre Sicht auf die Welt und sein Land, in dem er die Armee gnadenlos einsetzt.

Von David Pfeifer, Bangkok

Es war ein Feiertag, der nicht zum Feiern war. In einer seltenen Rede zum "Tag der Streitkräfte" kündigte General Min Aung Hlaing, 66, Anführer der Junta, welche die Macht in Myanmar in der Nacht vom 1. Februar 2021 mit Gewalt an sich gerissen hat, ein entschlossenes Vorgehen gegen "Terroristen" an. Wobei als Terroristen im Grunde alle Widerstandsgruppen bezeichnet werden, die die erneute Herrschaft des Militär nicht akzeptieren wollen.

Vor Min Aung Hlaing, der die Parade im offenen Jeep abnahm, marschierten Soldaten in Formation auf dem Paradeplatz der Hauptstadt Naypyidaw. Panzer, Raketen und Artillerie wurden präsentiert, russische Mi-35M-Kampfhubschrauber sowie chinesische K-8-Bodenangriffsflugzeuge und FTC-2000-Überschall-Jets donnerten durch die Luft. Die Bevölkerung kennt diese Fluggeräte. Sie werden bei Angriffen auf Dörfer eingesetzt, in denen das Militär Widerstandsgruppen vermutet.

Ein UN-Bericht stellte in diesem Monat fest, dass die Gewalt im Nordwesten und im Südosten Myanmars aufgrund von "wahllosen Luftangriffen und Artilleriebeschuss, Massenverbrennungen von Dörfern zur Vertreibung der Zivilbevölkerung und Verweigerung des humanitären Zugangs" zugenommen hat. Bei einem Luftangriff auf das Dorf Let Yet Kone wurde in den vergangenen Wochen eine Schule getroffen, im nördlichen Staat Kachin bis zu 80 Zivilisten getötet. Das Militär führt einen Angriffskrieg gegen das eigene Volk.

Die Opposition hat eine Regierung im Untergrund gebildet

Dabei hieß der Tag der Streitkräfte früher einmal Tag des Widerstands und markierte den Jahrestag des Aufstandes der Armee gegen die japanische Besatzung im Jahr 1945. Damals gingen die japanischen Soldaten ähnlich brutal vor, wie die birmanischen heute. Sie betrachteten die Menschen im Land als minderwertig.

"Die Terrorakte der NUG und ihrer Lakaien, der sogenannten PDFs, müssen ein für alle Mal bekämpft werden", sagte Min Aung Hlaing in seiner Rede. Das NUG ist das "National Unity Government", eine Alternativregierung im Untergrund, die eine Alternative zu diplomatischen Beziehungen mit den Generälen anbieten will. Sie setzt sich aus Abgeordneten zusammen, die Monate vor dem Putsch gewählt worden waren.

Der bewaffnete Flügel des NUG nennt sich PDF, "People's Defense Force" - Volksverteidigungskräfte. Die PDF umfassen landesweit mehr als 300 kleine Einheiten, die manchmal nur aus zehn Frauen und Männern bestehen und unablässig Militärkolonnen, Stützpunkte und Außenposten der Junta angreifen. Den PDF laufen weiterhin junge Menschen zu, die vor 2021 ein Jahrzehnt zaghafter Demokratie und wirtschaftlicher Entwicklung in Myanmar erlebten. Sie fliehen in die Gebiete, die das Militär nicht kontrolliert. Und sie sind gemeint, wenn General Min Aung Hlaing von Terroristen spricht.

Kurz nach dem Putsch 2021 gab es noch große Demonstrationen gegen die Generäle, hier in Yangon. Das Plakat zeigt die von der Junta inhaftierte vorige Regierungschefin, Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Sie wurde in einem inszenierten Prozess zu sieben Jahren Haft verurteilt. (Foto: STR/AFP)

Mehr als eine Million Menschen wurden mittlerweile vertrieben, größtenteils innerhalb des Landes. Die Wirtschaft ist zusammengebrochen, der Bürgerkrieg zieht eine humanitäre Krise nach sich. Doch General Min Aung Hlaing hat seine eigene Weltsicht. So erklärte er am Tag der Streitkräfte auch, dass die internationale Verurteilung seiner Junta auf falschen Darstellungen des NUG beruhe. Er versuchte, die Gewalttaten seiner Soldaten und der ihm unterstellen Polizeikräfte als notwendig zu verkaufen, um Frieden im Land herzustellen.

Zudem forderte er seine Kritiker aus dem Ausland auf, sich hinter die von der Militärregierung geplante Wahl zu stellen: "Ich möchte die internationale Gemeinschaft auffordern, alle Bemühungen der gegenwärtigen Regierung umsichtig zu unterstützen, um den richtigen Weg zur Demokratie zu beschreiten." Nur glaubt niemand, dass die für den August angesetzten Wahlen frei und die Kandidaten unabhängig sein könnten. Ende 2020 hatte die vom Militär entsandte Partei eine blamable Niederlage an den Urnen in Kauf nehmen müssen, was den erneuten Putsch erst in Gang gesetzt hatte.

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Doch so sehr sich Min Aung Hlaing um internationale Anerkennung bemüht, innerhalb des Asean-Verbundes ist er isoliert zwei Jahre nach der Machtübernahme, nach denen er trotz aller Brutalität nicht die volle Kontrolle über das Land hat. Einzig die thailändische Regierung, ebenfalls eine bei Wahlen nur halbwegs legitimierte Junta, pflegt noch diplomatische Beziehungen. Die anderen Anrainerstaaten, teilweise ebenfalls keine lupenreinen Demokratien, wie Laos, Vietnam oder Kambodscha, fürchten um den Ruf des gesamten boomenden Wirtschaftsraums.

Die Generäle haben wenige Freunde. Die aber sind in Peking und Moskau

Am vergangenen Freitag kündigten die USA an, weitere Sanktionen gegen zwei Personen und sechs Organisationen zu verhängen, die mit der Junta in Myanmar in Verbindung stehen und denen Washington vorwirft, die fortgesetzten Gräueltaten im Land zu unterstützen, unter anderem durch den Import, die Lagerung und den Vertrieb von Kerosin für die Kampfjets und Hubschrauber. "Das burmesische Militärregime fügt seinem eigenen Volk weiterhin Schmerz und Leid zu", sagte der Unterstaatssekretär des US-Finanzministeriums für Terrorismus und finanzielle Aufklärung, Brian Nelson, in einer Erklärung.

Es ist allerdings nicht so, dass General Min Aung Hlaing gar keine Freunde mehr im In- und Ausland hat. Neben dem mächtigen Politbüro in Peking steht der Kreml nach wie vor an der Seite der Junta. Russland plane sogar, Militärstationen auf dem Gebiet Myanmars zu errichten, erklärte Derek Chollet, Berater des US-Außenministeriums, vergangene Woche der Nachrichtenagentur Reuters. Chollet sagte auch, dass die Biden-Administration die Krise in Myanmar als "die akuteste Bedrohung" in Südostasien ansieht. Derweil war der russische Verteidigungsminister mehrmals zu Besuch in Myanmar, auch schon 2021 zum Tag der Streitkräfte, als sogar China nur einen Militärattaché entsandte. Dafür reiste General Min Aung Hlaing im vergangenen Herbst gleich zwei Mal zu Besuch nach Moskau, um Covid-19-Vakzine zu kaufen - und Waffen.

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