Glückstadt:Abschiebehaftanstalt in Glückstadt nun in Betrieb

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Blick auf die neue Abschiebehaftanstalt in Glückstadt. (Foto: Ulrich Perrey/dpa)

Die neue Abschiebehaftanstalt für Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern in Glückstadt (Kreis Steinburg) hat am Montag den Betrieb aufgenommen....

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Glückstadt/Kiel (dpa/lno) - Die neue Abschiebehaftanstalt für Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern in Glückstadt (Kreis Steinburg) hat am Montag den Betrieb aufgenommen. Zunächst stehen 12 Haftplätze zur Verfügung, bei voller Kapazität sollen es bis zu 60 sein. In Glückstadt sollen Ausreisepflichtige auf ihre Abschiebung warten.

Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) hatte vor dem Start betont, es handele sich nicht um Strafhaft. Ziel sei ein möglichst humaner Vollzug in der ehemaligen Kaserne. Angesichts der Ausstattung sprach Sütterlin-Waack von „Wohnen minus Freiheit“. Bei Flüchtlingshilfe-Organisationen stößt die Formulierung ebenso auf Kritik wie die Einrichtung selbst.

Auch die Grünen im Landtag machten ihre Haltung deutlich: „Für uns ist das kein guter Tag“, sagte die flüchtlingspolitische Sprecherin, Aminata Touré. „Wir sind gegen das Instrument der Abschiebehaft und haben dazu zahlreiche Beschlüsse auf Landes- sowie Bundesebene.“

Die Kosten sollen für jedes der drei Bundesländer pro Jahr nicht mehr als sechs Millionen Euro betragen. Offen blieb zunächst, ab wann wie viele Menschen untergebracht werden, da Haftrichter kurzfristig über eine Abschiebungshaft auf Antrag der Zuwanderungsbehörden entscheiden. Nach Afghanistan werden infolge des bundesweiten Stopps derzeit keine Menschen abgeschoben.

2014 hatte die damalige Kieler Regierung aus SPD, Grünen und SSW die Vorgängereinrichtung in Rendsburg geschlossen. Die jetzige Koalition aus CDU, Grünen und FDP beschloss die neue Einrichtung. Die SPD kritisierte das als Abkehr von einer humanitären Flüchtlingspolitik. Die Grünen hielten entgegen, mit einer Einrichtung im eigenen Land könne man humanitäre Bedingungen schaffen.

Von einer unsinnigen Symbolpolitik für CDU-Hardliner SPD-Fraktionschefin sprach Serpil Midyatli. Sie halte Abschiebehaft, nur um die Ausreise sicherzustellen, für nicht angemessen. Dass zumindest theoretisch auch Kinder in der Abschiebehaft untergebracht werden könnten, passe mit ihrem humanitären Verständnis nicht überein. „Natürlich wissen alle ganz genau, dass diese Veranstaltung unsinnig und unangemessen ist und einzig die Befriedigung der Hardliner in der CDU bedient hat“, erklärte Midyatli.

„Auf Landesebene sind wir in der Verpflichtung, Bundesrecht umzusetzen“, sagte Landtagsvizepräsidentin Touré. „Deshalb haben wir vor allem versucht, auf die rechtliche sowie organisatorische Ausgestaltung Einfluss zu nehmen.“ Dabei dürfe nicht verschwiegen werden, dass Schleswig-Holstein in der Vergangenheit Menschen in Abschiebehafteinrichtungen anderer Bundesländer untergebracht habe.

„Heute wird nicht mit einer neuen Praxis in Schleswig-Holstein begonnen, sondern gemeinsam mit Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern Bundesrecht in einer eigenen Einrichtung umgesetzt.“ Touré forderte dringend einen Paradigmenwechsel in asyl- und migrationspolitischen Fragen in Berlin.

„Mit der Abschiebehaft in Glückstadt wird eine Vollzugspraxis der Küstenkoalition beendet, die mehr als fragwürdig gewesen ist“, sagte der migrationspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Jan Marcus Rossa. „Migranten, die nicht freiwillig ihrer Ausreisepflicht nachkamen, wurden durch die Republik gefahren, um sie in Hafteinrichtungen anderer Bundesländer unterzubringen, auf deren Bedingungen Schleswig-Holstein keinen Einfluss nehmen konnte.“

Freiheit entziehende Maßnahmen seien in einem freiheitlichen Rechtsstaat immer hoch sensibel, sagte Rossa. „Allerdings muss geltendes Recht auch durchgesetzt werden und das ist in Extremfällen manchmal nur mit Zwangsmitteln zu erreichen.“ Die Abschiebehaft treffe nur Menschen, die sich wiederholt der Ausreisepflicht entzogen haben.

Die Organisation Pro Asyl lehnte vehement die Abschiebehaft generell ab. Die Einrichtung in Glückstadt sei zwar um Lichtjahre besser als die in Bayern, aber es gebe keine „gute“ Haft. In der Praxis sei es für die allermeisten Menschen brutal belastend, eingesperrt zu sein.

Auch die Gruppe „Seebrücke“ kritisierte die Einrichtung in Glückstadt und untermauerte dies mit Aktionen in Kiel, Hamburg und Schwerin. „Abschiebehaft bedeutet Freiheitsentzug für Menschen, die keine Straftat begangen haben“, sagte Sprecherin Leni Hintze. In Glückstadt sollten künftig auch Minderjährige bis zu 18 Monate in Haft genommen werden.

„Der Sprech der Landesregierung Schleswig-Holstein von einem „humanen Vollzug“ unter dem Motto „Wohnen minus Freiheit“ ist besonders zynisch, sagte „Seebrücken“-Vertreterin Mariella Hettich. „Abschiebehaft ist so unmenschlich, dass es diese innerhalb von Deutschland nicht geben darf.“

© dpa-infocom, dpa:210816-99-860067/4

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