Migration:Debatte über Leistungseinschränkungen für Asylbewerber

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Geflüchtete in einer Flüchtlingsunterkunft in Köln. (Foto: Henning Kaiser/dpa)

Wollen deshalb so viele Flüchtlinge nach Deutschland, weil es hier mehr Geld und Leistungen gibt als anderswo? Darauf konzentriert sich gerade die Migrationsdebatte.

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Berlin (dpa) - Angesichts des starken Zuwanderung von Flüchtlingen nach Deutschland wird der Ruf nach einer Begrenzung finanzieller und sozialer Anreize lauter. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz forderte, Ausreisepflichtigen frühestens nach drei Jahren einen Anspruch auf erweiterte Leistungen bei der Gesundheitsversorgung zu geben - bisher bekommen sie ihn nach eineinhalb Jahren. Merz erhielt dafür Zustimmung von der FDP.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr forderte die Länder ultimativ auf, von Bargeldzahlungen auf Sachleistungen umzustellen. Dagegen rührt sich aber Widerstand bei den Grünen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lässt prüfen, wie Geld-Überweisungen von Asylbewerbern in ihre Herkunftsländer unterbunden werden können.

„Wir dürfen keine Anreize zur Bleibe geben, wenn kein Bleiberecht in Deutschland besteht“, sagte Merz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland zu seinem Vorstoß, den Zeitraum zu verdoppeln, bis ausreisepflichtige Asylbewerber in etwa die gleichen Gesundheitsleistungen wie Versicherte bekommen. „Die Botschaft an die 300.000 abgelehnten Asylbewerber lautet aktuell: Ihr müsst nur lange genug bleiben, dann geht es euch in Deutschland immer besser. Das müssen wir korrigieren“, mahnte der CDU/CSU-Fraktionschef im Bundestag.

Wer betroffen wäre

Laut Ausländerzentralregister waren Ende 2022 rund 304 000 Menschen ausreisepflichtig, davon etwa 248 000 mit einer Duldung. Geduldete sind Menschen, die zwar ausreisepflichtig sind, aber aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden können. Ausreisepflichtige Ausländer und geduldete Migranten erhalten in den ersten 18 Monaten in Deutschland nur eine eingeschränkte gesundheitliche Versorgung, sie sind nicht gesetzlich krankenversichert. Anschließend werden sie von den gesetzlichen Krankenkassen betreut und erhalten nahezu dieselben Leistungen wie gesetzlich Krankenversicherte.

Merz hatte vor wenigen Tagen mit Aussagen über Zahnarztbehandlungen für abgelehnte Asylbewerber heftige Reaktionen ausgelöst. Er drängte zudem Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu Gesprächen über die Migrationspolitik schon am Tag nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen an diesem Sonntag. Scholz müsse zudem ein deutliches Signal an potenzielle Migranten ohne Asylgrund senden. „Der Bundeskanzler muss eine klare Botschaft nach draußen senden, die auch in den Herkunftsländern der Flüchtlinge ankommt: Dass Deutschland nicht mehr in der Lage ist, Menschen ohne Asylgrund aufzunehmen“, sagte Merz.

Er erhielt Unterstützung von FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. „Wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind, ist der Vorschlag von Friedrich Merz ein richtiger Ansatz“, sagte dieser der „Rheinischen Post“. Djir-Sarai forderte zudem, Hilfen nicht mehr als Bargeld auszuzahlen. Diese Zahlungen „sind ein Pull-Faktor und verhindern in vielen Fällen rasche Rückführungen, da Herkunftsländer davon profitieren, wenn Geld in die Heimat überwiesen wird“.

Eine Art Ultimatum für die Länder

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr setzte den zuständigen Ländern eine Art Ultimatum. „Ich erwarte von den Ländern, dass sie bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 6. November den Weg für Prepaid-Bezahlkarten freimachen“, sagte er der „Bild“-Zeitung. „Die irreguläre Migration muss runter - dafür müssen Bargeldauszahlungen zügig gestoppt werden.“ Wenn sich bis zum 6. November nichts tue, „müssen wir über Steuergelder vom Bund gar nicht erst sprechen“.

Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch warnte dagegen vor einem „Bürokratie-Irrsinn“. Es seien pragmatische Lösungen nötig, sagte er. „Das heißt Menschen in Arbeit bringen, das ist gut für die Integration, gut für die Unternehmen, die dringend Arbeitskräfte suchen, und gut für die Kommunen.“ Auch dürfe man die ohnehin hoch belasteten Kommunen jetzt nicht mit neuer Bürokratie belasten.

FDP-Chef und Finanzminister Lindner plädierte beim Portal t-online ebenfalls für „Sachleistungen statt Geld“. Er wolle auch Wege finden, um Asylbewerber daran zu hindern, Geld in ihre Herkunftsländer zu überweisen. „Das könnte eine Finanzierungsquelle der Schlepperkriminalität sein.“ FDP-Generalsekretär Djir-Sarai begrüßte Lindners Pläne in den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.

Auch Laumann fordert Zusammenarbeit

Nordrhein-Westfalens Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) rief Bundesregierung und Union zur Zusammenarbeit auf. „Die Ampel und die Union müssen sich jetzt auf eine gemeinsame Marschlinie verständigen, um an den Stellschrauben zu drehen, an denen wir auf nationaler Ebene drehen können“, sagte Laumann, der auch Vorsitzender des CDU-Sozialflügels ist, in einem „Stern“-Interview. Deutschland könne sehr stolz auf das Asylrecht im Grundgesetz sein. „Ich glaube, dass wir jetzt handeln müssen, um den Kern unseres Asylrechts auch für die nächsten Generationen zu bewahren.“

© dpa-infocom, dpa:231005-99-446415/3

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