Merkels Macht:Sorge der Union, Hoffnung der SPD

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Kanzlerin Angela Merkel wird von der SPD unter Druck gesetzt. Wie geht sie damit um? (Foto: Bloomberg)

Ihre Wähler wollen keine Visionen, sie wollen ihre Ruhe. Merkel hat sie ihnen gegeben. Kurz vor wichtigen Wahlen aber macht die SPD nun gehörig Druck. Und einige in der Union haben erkennbare Probleme mit Anstand und Moral.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Der Bahamas-Abenteurer Helmut Linssen hat sich als CDU-Schatzmeister verabschiedet. Und schon steht der nächste prominente Unionsvertreter in der Kritik. Erst mit seinem seltsamen Doktortitel. Jetzt, weil sich Andreas Scheuer, Generalsekretär der CSU, als lächelnder Überbringer von Spenden an Hilfsorganisationen geriert, ohne zu sagen, woher all das schöne Geld kommt.

Dann gab es noch Eckart von Klaeden, der womöglich schon zu Zeiten als Staatsminister im Kanzleramt eine zu große Nähe zu seinem heutigen Arbeitgeber Daimler hatte. Er ist jetzt Konzernbevollmächtigter des Autobauers. Hat sein Amt als CDU-Präsidiumsmitglied aber besser niedergelegt.

Nicht zu vergessen auch Ronald Pofalla, der es einst ganz schlimm fand, wenn zwischen dem Ausscheiden aus der Politik und dem Eintritt in die freie Wirtschaft zu wenig Zeit sei. Als er auf seinen Job als Kanzleramtsminister verzichtete, tat er das zunächst, weil er angeblich mehr Zeit mit der Familie verbringen wolle. Dann war ihm die offenbar doch nicht mehr so wichtig. Es kam heraus, dass er längst als Vorstand der Deutschen Bahn angeheuert hatte. Wegen der nachfolgend heftigen Kritik ruht seine Berufung allerdings gerade.

In der Union haben - so hat es den Anschein - einige ein Problem mit Moral und Anstand.

In Erfurt kommt an diesem Freitag die Spitze der CDU zur Klausur zusammen. Sie wollte dort eigentlich in Ruhe ihr Europawahlprogramm verabschieden. Und den in Niedersachsen gestrauchelten Ex-Jungstar und Ex-Ministerpräsidenten David McAllister zu einer zweiten Chance als Spitzenkandidat für die Europawahl Ende Mai verhelfen.

Stattdessen müssen sich CDU und CSU, gut 14 Jahre nach Beginn der CDU-Spendenaffäre, mal wieder Fragen nach der Integrität manch ihrer Mitglieder stellen lassen.

Auf die Parteivorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel fällt das alles noch nicht zurück. Sie sitzt fester im Sattel denn je, hat gerade mit 41,5 Prozent einen in der Höhe nicht mehr für möglich gehaltenen Wahlsieg geholt. In den Umfragen liegen CDU und CSU stabil bei deutlich über 40 Prozent.

Der kleine Wermutstropfen: SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat Merkel in der Liste der beliebtesten Politiker im ARD-Deutschlandtrend von Platz eins verdrängt. Das muss aber nichts heißen. Von der Episode Guido Westerwelle mal abgesehen, waren Außenminister immer schon höchst beliebt. Merkel kann mit Platz zwei sehr zufrieden sein.

Dennoch braucht sie Erfolge. In der CDU gelten Gewinner alles, Verlierer nichts. Das haben einige CDU-Granden in den vergangenen Jahren deutlich zu spüren bekommen. Zuletzt Norbert Röttgen, den Merkel nach seiner Wahlniederlage in NRW achtkantig aus dem Kabinett schmiss. Nach einer Gnadenfrist darf Röttgen jetzt als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses zumindest wieder im politischen Sandkasten mitspielen. Wenn auch nur am Rande.

Die Europawahl ist der nächste große Test für Merkel. Fast noch wichtiger aber sind die diversen Kommunalwahlen im ganzen Land, die zeitgleich stattfinden. Verlieren in den Städten reihenweise CDU-Bürgermeister ihre Jobs, kann sich deren Wut auch schnell auf das Kanzleramt in Berlin richten.

"Wer hat's erfunden? Die SPD!"

Sorge dürfte Merkel auch der Umstand bereiten, dass ihr Koalitionspartner SPD weitaus besser aufgestellt zu sein scheint als zu Beginn der großen Koalition 2005. Aus allen Rohren feuern sie gerade ihre Themen: Rente mit 63, Mindestlohn, Staatsbürgerschaft, Energiewende. Von einem Nebenkanzler Sigmar Gabriel ist schon die Rede. Von einer Kanzlerin, die ihre Hände in den Schoß legt, während der SPD-Chef und Wirtschaftsminister die Ärmel hochkrempelt.

Die Sozialdemokraten scheuen sich obendrein nicht, besonders auffällig die Werbetrommel für ihre Projekte zu rühren. 1,15 Millionen Euro gibt allein das von SPD-Frau Andrea Nahles geführte Arbeits- und Sozialministerium aus, um dem Rentenpaket in der Öffentlichkeit einen roten Anstrich zu geben: Nach dem Motto "Wer hat's erfunden? Die SPD!"

Merkels Macht-Taktik hat sich dem bisher nicht angepasst. Ruhig bleiben und kommen lassen. So hat sie in der großen Koalition ab 2005 erst die SPD und danach in der schwarz-gelben Koalition die FDP mürbe gemacht. Die anderen haben gestritten, sie hat präsidial auf die Streithähne und -hennen hinuntergeschaut. Hin und wieder ein paar salbungsvolle Worte - das hat ihren Wählern offenbar gereicht. Sie wollten keine Visionen, sie wollten ihre Ruhe. Merkel hat sie ihnen gegeben. Die Hoffnung der SPD sollte Merkels Sorge sein: dass das in Zukunft nicht mehr reicht.

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