Zum zweiten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie stellte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag den Fragen der Abgeordneten. Zuerst äußerte sie sich zur EU-Ratspräsidentschaft: Deutschland übernehme in einer "schwierigen Zeit" den Rat, und die Zeit werde von der Corona-Pandemie geprägt werden. Es brauche besondere Lösungen für diese Situation. Die Positionen der Mitgliedsstaaten gingen noch weit auseinander. Wirtschaftliche Erholung heiße aber auch, dass die Chancen aller gesichert werden. Das betreffe auch die sogenannte "Jugendgarantie", also dass junge Menschen Arbeit bekommen können. Die Fortschritte der Brexit-Verhandlungen seien eher übersichtlich. Man müsse sich auf einen No-Deal-Brexit vorbereiten.
Merkel wurde zu sehr verschiedenen Themen befragt, wie etwa zur staatlichen Hilfe für Lufthansa oder die Frage nach einer Frauenquote für die Spitzen von börsennotierten Unternehmen. Bei letzterem Thema zeigte die Kanzlerin ihre Unzufriedenheit, da die Führungsgremien der Dax-Konzerne nach wie vor vor allem männergeführt sind. "Das ist ein Zustand, den kann man nicht vernünftig finden." Auch bei der Einführung einer Frauenquote für Aufsichtsräte in Unternehmen habe man genügend Kandidatinnen gefunden. Merkel wollte sich nicht festlegen, wann die große Koalition eine Einigung finden werde.
Laut Merkel laufen Gespräche mit Familienministerin Franziska Giffey, allerdings blieb sie vage. "Aber ich kenne meine Grenzen der Amtszeit", sagte sie in Anspielung auf ihre Ankündigung, 2021 nicht erneut bei den Bundestagswahlen anzutreten.
Giffey hatte eine gesetzliche Quote für einen Mindestanteil von Frauen in bestimmten Unternehmensvorständen vorgeschlagen. Danach soll der Vorstand eines börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Unternehmens künftig mit wenigstens einer Frau besetzt sein, wenn er mehr als drei Mitglieder hat. Sie will zudem die seit 2015 vorgeschriebene 30-Prozent-Quote für Frauen in bestimmten Aufsichtsräten von bisher gut 100 auf etwa 600 Unternehmen der Privatwirtschaft ausdehnen. Inkrafttreten sollen die neuen Vorschriften zum 1. Mai 2021.
Merkel: Werkverträge für Fleischereibranche werden abgeschafft
Die FDP wollte wissen, warum überall im Bundesgebiet die Corona-Beschränkungen gelten, wo doch nur in manchen Regionen neue Infektionen auftreten. Die Kanzlerin wies in ihrer Antwort auf die nach wie vor vorherrschende Gefährdungslage hin. Neue Covid-19-Ausbrüche könne es jederzeit und überall geben.
Mit Blick auf die Zustände im Fleischbetrieb Tönnies fragten die Grünen die Regierungschefin nach Konsequenzen. Die Kanzlerin kündigte an, die bislang geltende Praxis zu verändern. "Wir werden die Werkverträge für diese Branche abschaffen, weil sie ausgenutzt wurden", sagte Merkel. In der Folge würde es dann vielleicht wieder mehr "kleine Schlachthöfe" geben, statt großflächige Fleischfrabiken. "Die Konzentration ist für die Bauern ein großes Problem," so Merkel. Allerdings gebe es noch andere Faktoren, die die Viehwirte unter "Druck" setzten und die Preise drückten.
Aus der AfD-Fraktion forderte man Merkel auf, sich zur Wahl der Linken Barbara Borchardt zur Landesverfassungsrichterin in Mecklenburg-Vorpommern zu äußern. Die Juristin ist Mitglied der "Antikapitalistischen Linken", einer linksradikalen Gruppe, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Merkel machte in ihrer Antwort klar, dass sie politisch mit Borchardt keinerlei Gemeinsamkeiten sieht. "Ich teile diese Positionen dieser Verfassungsrichterin absolut nicht," sagte Merkel. Mit Blick auf die mit CDU-Zustimmung in Schwerin erfolgte Wahl Borchardts sprach Merkel von einem "komplexen Verfahren im Landtag". Die Kanzlerin sagte, sie sei mit dem Ergebnis nicht zufrieden, aber in der Politik gebe es nun mal teilweise auch Ergebnisse, "die nicht umfassend gut sind". Und zur AfD gewandt: "Es wäre Ihnen lieber gewesen, wenn die CDU mit Ihnen gestimmt hätte."
Von den Grünen wurde Merkel auf die Seenotrettung von Geflüchteten aus dem Mittelmeer angesprochen. Merkel machte deutlich, dass sie es wichtig fände, dass die Menschen sich nicht in die oft kaum seetüchtigen Boote setzten. "Wir müssen eigentlich verhindern, dass die Menschen sich in Gefahr bringen." Dazu sei es wichtig, mit den Ländern wie der Türkei entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Die Bundeskanzlerin erinnerte daran, dass sie für einen entsprechenden "Deal" mit Ankara in der Vergangenheit scharf kritisiert worden sei.