Es war eine außergewöhnliche Woche, in jeder Hinsicht: Ein Hin und Her bei den Corona-Maßnahmen - und schließlich eine Kanzlerin, die sich öffentlich für dieses Chaos entschuldigte. Die Politikwissenschaftlerin Karina Strübbe von der TU Dortmund weiß, wovon sie spricht, ihre Dissertation hieß "Politische Entschuldigungen: Theorie und Empirie des sprachlichen Handelns".
SZ: Frau Strübbe, die Kanzlerin hat sich öffentlich für einen Fehler entschuldigt und damit einige Aufregung verursacht. Ist es denn wirklich so außergewöhnlich, dass Politiker sich entschuldigen?
Karina Strübbe: Man muss unterscheiden. Ein lapidares, quasi nebenbei genuscheltes "Sorry" kommt öfter mal vor, aber eine richtig umfangreiche, persönliche Entschuldigung ist immer ein außergewöhnliches Ereignis. In der Regel sehen wir das nur bei, nennen wir es mal elegant: persönlichem Fehlverhalten. Bestechlichkeit wäre ein klassisches Beispiel. Oder eine abgeschriebene Doktorarbeit wie bei Karl-Theodor zu Guttenberg. In den USA wird das auch bei einer außerehelichen Affäre erwartet, zum Beispiel bei Bill Clinton. Angela Merkel hat sich nun für einen Fehler entschuldigt, den ja eigentlich 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit ihr gemeinsam gemacht haben: ein völlig verbockter Beschluss zum Oster-Lockdown. Deshalb ist das in der Geschichte der Politiker-Entschuldigungen sicher bemerkenswert.
Was macht eine gute Politiker-Entschuldigung aus?
Es geht vor allem darum, Reue überzeugend zu transportieren. Dafür muss es zwingend gewisse Signalworte geben: Ich bitte um Verzeihung, es tut mir aufrichtig leid, etwas in diese Richtung. Abhängig von den Umständen kann auch Wiedergutmachung notwendig sein. In jedem Fall muss das Publikum glauben: Er oder sie hat daraus gelernt und wird es nicht wieder machen.
Und dann verzeihen die Wähler und alles ist wieder gut?
Es gibt natürlich Dinge, die nicht wiedergutzumachen sind, der Vertrauensverlust bei Korruption ist ein gutes Beispiel. Aber Menschen verzeihen grundsätzlich eine ganze Menge, wenn man sich aufrichtig entschuldigt. Die Wirkung einer guten Entschuldigung wird oft unterschätzt, gerade von Politikern.
Kann eine Entschuldigung auch schiefgehen?
Wenn die Reue nicht glaubwürdig transportiert wird, ist das ein Problem. Das liegt oft an den Umständen. Karl-Theodor zu Guttenberg etwa hat sich erst entschuldigt, als er schon wochenlang unter Beschuss gestanden und immer beteuert hatte, er sei sich keiner Schuld bewusst. Da war dann natürlich auch mit der Entschuldigung nichts mehr zu retten. Man sollte sich auch nicht ständig entschuldigen, sonst nützt sich der Effekt irgendwann ab.
Hört man während der Corona-Pandemie mehr Entschuldigungen als früher?
Nicht unbedingt mehr, aber die Pandemie hat uns eine völlig neue Spielart beschert: Die Vorab-Entschuldigung. Jens Spahn und Karl Lauterbach haben das interessanterweise beide gemacht, die sagten schon vorab, es werde nicht alles glatt laufen und es werde einiges zu verzeihen geben. Das gab es bis dahin noch nie. Insofern ist dieses ganze Chaos zumindest wissenschaftlich interessant.