Kanzlerin Merkel auf dem CDU-Parteitag:Die Fassadenmalerin

Lesezeit: 3 min

Beim Bundesparteitag in Karlsruhe schlägt die CDU-Vorsitzende Angela Merkel harsche Töne gegen die Opposition an. Dennoch bleibt ihr Versuch zu mobilisieren nicht mehr als ein Pinseln an der Fassade. Die Basis sehnt sich nach mehr.

Heribert Prantl

Fassade, viel Fassade. Es ist ein Parteitag des schönen Scheins, mit dem die Partei ihre Ängste tarnt. Angela Merkel ist eine geübte Fassadenmalerin, und die Delegierten sind schnell mit ihren Kringeln einverstanden. Zwar sind die Umfragen für die CDU matt und der Ruf der Regierung im Lande ist mager, aber Merkel ist fit und sie strahlt das auch aus. Sie ist mit sich, mit der Partei und mit ihren Reisen in die weite Welt zufrieden.

Es reichte gerade noch, um fröhlich zu winken: Mit 90,4 Prozent - fast fünf weniger als vor zwei Jahren - wurde Angela Merkel als CDU-Vorsitzende bestätigt. (Foto: dpa)

Sie hat jüngst Obama erfolgreich widersprochen, sie piesackt ihn auch noch auf dem Parteitag, sie lässt keinen Punkt aus, mit dem sie bei den Delegierten einen Punkt machen kann. Sie will ja wiedergewählt werden, diesmal und in zwei Jahren noch mal; und was dann kommt, weiß keiner. Die CDU wird jünger in den Führungsebenen von Bund und Ländern und irgendwo ist der Frondeur oder die Frondeuse, um Merkel abzulösen, irgendwann - oder schon früher, dann nämlich, falls 2011 die vielen Landtagswahlen für die CDU verlorengehen sollten. Mit der offensiven Pflege des Konservativismus und des Katholizismus, die Merkel neuerdings betreibt (ihre Kritik am Papst ist in der Partei unvergessen), schiebt sie solche Herbstgedanken weg.

Merkels Ergebnis bei der Wiederwahl zur Parteichefin ist schlechter als bei den vergangenen Malen, aber angesichts des furchtbaren ersten Regierungsjahrs ordentlich; ihre neuen Stellvertreter sind sehr einvernehmlich bestimmt worden. Die Grummelei um Wolfgang Schäuble, den zermürbten Heros, wird leiser. Es gibt jetzt ein stilles Einvernehmen darüber, dass dieser Sisyphos der Christdemokratie selber darüber entscheiden muss und darf und soll, wann es zu Ende ist mit der Fron, die er sich auferlegt hat. Über den neuen Vorstand schreiben die "Merkologen", er sei noch nie so auf Merkel ausgerichtet gewesen wie jetzt.

Das ist zwar falsch: Norbert Röttgen will selber Kanzler werden und bleibt nur so lange loyal, wie es opportun ist. Und Ursula von der Leyen ist immer noch gekränkt, weil Merkel nicht sie, sondern Wulff auf den Thron des Bundespräsidenten gehoben hat. Gleichwohl: Nicht wenige sehen Angela Merkel im Zenit ihrer Macht. Was will sie mehr? Ihre Partei will mehr, sagt es aber derzeit nur verhalten. Der Parteitag ist zufrieden damit, dass Merkel die Grünen als neuen Hauptgegner und als SPD-Ersatz attackiert; ansonsten wartet die CDU bang auf die Landtagswahlen von 2011. Der vermeintliche Zenit der Angela Merkel, die neuerdings "Kante zeigen" will, könnte allerdings auch die Kante einer Steilküste sein: Ein paar Meter weiter ist der Abgrund.

Merkel hat in den vergangenen Monaten Fehler gemacht, die sie dem Abgrund näherbringen könnten. Sie hat, um die schwarz-gelbe Kakophonie zu beenden, eine Politik betrieben, die an die von Helmut Kohl in den Jahren 1996 ff. erinnert - als dieser auf die Linie des damaligen FDP-Fraktionschefs Hermann Otto Solms einschwenkte und das Bündnis für Arbeit platzen ließ. Das war der Anfang vom Ende der damaligen schwarz-gelben Koalition: 1998 verlor die CDU 1,2 Millionen Stimmen, aus einer großen Volkspartei wurde damals eine mittlere Volkspartei; sie hat sich nicht mehr erholt.

Neue CDU-Führung gewählt
:Die Merkelianer

Die CDU baut auf ihrem Parteitag in Karlsruhe den engsten Machtzirkel um Kanzlerin Angela Merkel um. Mit Norbert Röttgen und Ursula von der Leyen steigen zwei potentielle Kanzlerkandidaten der nächsten Generation auf. Die neue Parteispitze in Porträts und Bildern.

Merkels Politik, die sie in ihrer Parteitagsrede noch einmal forsch propagierte, setzt das fort: Getrieben davon, eine angebliche konservative Leerstelle in der Partei besetzen zu müssen, verändert sie den Politikstil, der sie populär gemacht hat: Sie wechselt vom eher Präsidialen zum eher Brachialen. Die Politik aber, die sie auf diese Weise nun "durchziehen" will, bedeutet die weitere Gefährdung der Volkspartei CDU: Die Gesundheitsreform, die den Einstieg in die Kopfpauschale bedeutet, ist ein Tribut an die FDP.

Neue CDU-Führung gewählt
:Die Merkelianer

Die CDU baut auf ihrem Parteitag in Karlsruhe den engsten Machtzirkel um Kanzlerin Angela Merkel um. Mit Norbert Röttgen und Ursula von der Leyen steigen zwei potentielle Kanzlerkandidaten der nächsten Generation auf. Die neue Parteispitze in Porträts und Bildern.

Das Sparpaket enthält nichts von dem, was einer Volkspartei anstünde: Es nimmt den Eltern und den Hartz-IV-Empfängern, aber nicht den Vermögenden. Der schwerste Fehler, den Angela Merkel aber je gemacht hat, ist die Verlängerung der Laufzeiten für die Kernkraftwerke. Ohne Not hat sie dem Drängen der Industrie nachgegeben und ein Fass aufgemacht, aus dem Unheil quillt - nicht nur für sie und die Union. Zugleich hat sie damit den FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle geadelt und ihren Minister Norbert Röttgen düpiert.

Sicherlich: Eine extrem schwächelnde FDP ist für die Union ein noch viel schwierigerer Partner als eine starke FDP. Merkel will jeden Nadelstich vermeiden, auf dass der malade Partner nicht stirbt. Bisher aber ist es so, dass das Entgegenkommen der Kanzlerin der FDP nichts nützt, aber der CDU schadet. Es besteht die Gefahr, dass die FDP zum Sargnagel der CDU als Volkspartei wird. Es reicht nicht, dass Angela Merkel, wenn es um "Werte" geht, Adenauer, Kohl, Maß und Mitte beschwört.

Und "Bürgerlichkeit" ist heute etwas anderes als vor fünfzig Jahren - deswegen sind ja die Grünen heute so erfolgreich. "Bürgerliche Politik steht für ein besseres Ganzes": Dieser Satz entlarvt Merkels Sinn-Schwäche. An einer einzigen Stelle in ihrer Rede gelang ihr ein programmatisch christdemokratischer Satz - als sie davon sprach, dass das Land "nicht an einem Zuviel an Islam, sondern an einem Zuwenig Christentum" leide. Nach solcher Wegweisung sehnt sich die CDU.

© SZ vom 16.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: