Mays Rücktritt:Die späte Erkenntnis der Premierministerin

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Eingestehen des Scheiterns: Theresa May bei ihrer Rücktrittsankündigung. (Foto: Getty Images)

Viel zu lange hat May den Hardlinern in ihrer Partei nach dem Mund geredet - und damit nicht nur diese gegen sich aufgebracht. Wer ihr nachfolgt, wird eine deutlich härtere Verhandlungslinie fahren wollen.

Kommentar von Björn Finke, London

Hätte sie diesen Ratschlag doch nur früher beherzigt. In ihrer emotionalen Rücktrittsrede zitierte Theresa May einen Bürger aus ihrem Wahlkreis, der ihr einmal ein hilfreiches Bonmot mit auf den Weg gegeben habe: "Compromise is not a dirty word", Kompromiss ist kein schmutziges Wort. Aber leider suchte die britische Premierministerin viel zu spät einen parteiübergreifenden Kompromiss zum Brexit. Leider erklärte sie ihrer Fraktion, dem Parlament, den Bürgern viel zu spät, dass auch bei den Austrittsverhandlungen mit Brüssel schmerzhafte Kompromisse nötig sind.

Dafür zahlt sie nun mit ihrem Amt. Die Brexit-Befürworter gaben vor dem Referendum völlig unrealistische Versprechen ab: Das Land werde nach dem Austritt die Nachteile der EU-Mitgliedschaft hinter sich lassen und die meisten Vorteile weiterhin genießen können, hieß es.

May, die für den Verbleib geworben hatte, machte sich als Premierministerin diese absurden Versprechen zu eigen. Sie versäumte es, eine Debatte darüber anzustoßen, welchen Preis das Königreich für den Brexit zu zahlen bereit ist: Sollte der Austritt es wert sein, dass Geschäfte über den Ärmelkanal schwieriger werden? Wie können Zollkontrollen auf der irischen Insel vermieden werden?

Die EU darf sich von neuen Drohungen nicht beeindrucken lassen

May scheute diese Diskussionen - und bestärkte so die Anhänger eines harten Brexit in ihrer konservativen Fraktion. Doch erwartungsgemäß ließ sich die EU nicht auf die britischen Traumtänzereien ein. Am Ende präsentierte May daher ein Austrittsabkommen, das zwar eine faire Grundlage bietet für die Gespräche über die künftigen Beziehungen. Aber aus Sicht der Brexit-Fanatiker ist dieser Vertrag eine Zumutung, denn er entlarvt ihre Lügen und falschen Versprechungen.

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Großbritannien
:Theresa May kündigt Rücktritt an

Sie werde am 7. Juni als Vorsitzende der Konservativen Partei zurücktreten. Damit sind auch ihre Tage als Premierministerin gezählt. "Es ist im besten Interesse unseres Landes", sagt May.

May scheiterte also, weil sie die Austritts-Enthusiasten nicht in die Schranken wies oder weisen konnte. Sie redete ihnen lange nach dem Mund und enttäuschte sie dann. Sehr wahrscheinlich folgt ihr im Juli einer dieser Brexit-Hardliner nach; als Favorit gilt Boris Johnson. Vermutlich wird dieser Regierungschef der Partei versprechen, den ungeliebten Vertrag neu zu verhandeln, und sollte das nicht möglich sein, werde das stolze Königreich ohne Abkommen austreten.

Die EU darf sich von solchen Drohungen nicht beeindrucken lassen. Neuer Austrittstermin ist der 31. Oktober. Bitten die Briten um eine weitere Verlängerung, sollte Brüssel diese zwar gewähren. Doch die EU sollte keinesfalls das Abkommen wieder aufschnüren. Dies würde nur die Illusion nähren, dass ein schmerzloser Brexit möglich ist. Es würde den verantwortungslosen Demagogen und Prinzipienreitern in die Hände spielen.

Entscheidet sich der neue Premier, wegen Brüssels vermeintlicher Sturheit tatsächlich ohne Vertrag auszutreten, würden sofort Zölle und Zollkontrollen eingeführt. Der Schaden für die Wirtschaft wäre immens - in Großbritannien und auf dem Festland. Aber vielleicht ist dieser ökonomische Vandalismus schlicht der Preis, damit in der britischen Politik wieder Realismus und Pragmatismus die Oberhand gewinnen. Ist die Macht der Brexit-Sektierer erst einmal gebrochen, könnten die Briten das Austrittsabkommen später immer noch annehmen. Ein No-Deal-Brexit würde den Wert des Kompromisses demonstrieren: eines ganz und gar nicht schmutzigen Wortes.

© SZ vom 25.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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:Ihre Meinung zum angekündigten Rücktritt von May

"Es ist im besten Interesse unseres Landes", sagte May. Die britische Premierministerin kündigt an, als Vorsitzende der Konservativen Partei zurückzutreten. Bis ein Nachfolger gewählt sei, wolle sie die Amtsgeschäfte als Premierministerin weiterführen.

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