Maut-Affäre im Bundestag:Ausschussvorsitzende fordern Löschverbot bei Ministerhandys

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Ein Untersuchungsausschuss soll die Maut-Affäre aufklären - und fordert dafür ein Löschverbot bei Handys von Ministern und Spitzenbeamten. (Foto: dpa)

Daten auf Diensthandys sollten zur Aufklärung der Maut-Affäre dienen - doch sie wurden entfernt. Nun könnten die Tage des ungehemmten Löschens gezählt sein.

Von Markus Balser, Martin Kaul und Antonius Kempmann, Berlin

Die Empörung war schon im März riesig. Als die Abgeordneten im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Aufklärung der Maut-Affäre erfuhren, dass die Daten auf dem Diensthandy von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und weiterer Spitzenbeamten gelöscht worden waren, ging der Ärger quer durch die Fraktionen. Von systematischen Löschungen sprachen die Grünen. Von der Behinderung der Aufklärung die FDP. Und selbst in der Union schüttelten Abgeordnete den Kopf. Der Ärger im Bundestag war auch deshalb so groß, weil Handydaten nicht zum ersten Mal in einer politischen Affäre abhanden kamen. Ähnliches war auch mit Handydaten der früheren Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) passiert, die Abgeordnete 2019 in der Berateraffäre auswerten wollten.

Doch die Tage des ungehemmten Löschens könnten gezählt sein. Die Ausschussvorsitzenden der Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse im Deutschen Bundestag drängen nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR auf ein Löschverbot bei Handys von Ministern und Spitzenbeamten. Die Initiative führt der Vorsitzende des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Mautdebakel, Udo Schiefner (SPD), an. Der Bundestagsabgeordnete sieht die Kontrollfunktion des Parlaments unterlaufen. "Mir stinkt, dass wir über gelöschte Handydaten diskutieren müssen", sagt er. "Daten von Diensthandys müssten gesichert werden, wie alle anderen Kommunikationsdaten der Ministerien auch. Wie soll das Parlament sonst seine Kontrollfunktion umfassend wahrnehmen?", klagt Schiefner.

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Die Abgeordneten im Maut-Untersuchungsausschuss hatten vor einigen Monaten auf Kurznachrichten auf den Diensthandys von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und weiterer führender Mitarbeiter zugreifen wollen. Das Ministerium erklärte dem Ausschuss jedoch, die Daten des Ministers in der Zeit vor Februar 2019 - also der entscheidenden Phase der Maut-Planung - seien im Zuge einer Umstellung auf ein neues Handy gelöscht worden. So sieht es auch mit den Daten von Ex-Verkehrsstaatssekretär Guido Beermann aus. Dessen Daten wurden nach Angaben des Ministeriums gelöscht, als er im Herbst des vergangenen Jahres das Ministerium verließ und in die Regierung Brandenburgs wechselte. Die Vorgänge im Verkehrsministerium erinnerten viele an die gelöschten Diensthandys der ehemaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

Nachdem die Ausschussmitglieder auch Einblick in die Mobiltelefone nehmen wollten, kam heraus: Von den drei der Ministerin zugeordneten Diensthandys soll eines von einem unachtsamen Mitarbeiter gelöscht worden sein, auf einem weiteren soll die Ministerin selbst die SMS gelöscht haben. Ein drittes Handy nutzte wohl vornehmlich einer ihrer ranghohen Mitarbeiter. Auch die Daten auf diesem Telefon wurden gelöscht. Der Vorgang hatte Ende 2019 für Aufsehen im Untersuchungsausschuss gesorgt. Ein Abgeordneter stellte anschließend gar eine Strafanzeige gegen von der Leyen.

"Das Thema betraf aktuell zwei Untersuchungsausschüsse", sagt Schiefner. "Der Vorsitzende des 1. Untersuchungsausschusses des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich, und ich werden das nicht auf sich beruhen lassen. Wir fordern eine andere, verbindliche Praxis der Ministerien." In dem Untersuchungsausschuss, der die Affäre um die teuren Beraterverträge im Bundesverteidigungsministerium aufklären sollte, hat der SPD-Abgeordnete Hellmich den Vorsitz. Auch er sieht "erheblichen Regelungsbedarf" und fordert eine Überarbeitung der Regelungen durch die Bundesregierung ein, in der "geregelt sein muss, dass die Diensthandys der Minister für Untersuchungsausschüsse verfügbar sein müssen". Hellmich sagt: "Diensthandys sind kein rechtsfreier Raum. Es geht hier um die Wahrung der parlamentarischen Rechte."

Dass die dienstlichen Inhalte der Mobiltelefone der Ministerinnen und Minister grundsätzlich archiviert werden müssen, ist eigentlich klar. So geht es aus der Geschäftsordnung der Bundesministerien sowie der sogenannten Registraturrichtlinie hervor. Auch nach den Enthüllungen zu den Telefonen von Ministerin von der Leyen bestätigte das Bundesinnenministerium noch im Dezember 2019, dass jede ministeriale Kommunikation, die für einen "Sachvorgang relevant" sei, archiviert werden müsse. Bislang aber gibt es offenkundig ein Problem. Denn die Ministerinnen und Minister können selbst entscheiden, auf welche Kommunikation das zutrifft - und die entsprechenden Inhalte auswählen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion schrieb die Bundesregierung im Februar: Da Minister ihre Diensttelefone anders als normale Beamte auch privat nutzen dürften, fände "eine Speicherung von SMS und Telefonkontakten außerhalb der Geräte mit Blick auf den Daten- und Persönlichkeitsschutz nicht statt". Das wollen die Ausschussvorsitzenden nun ändern.

Mit ihrem Vorstoß wollen Schiefner und Hellmich nun eine verbindliche Regelung erwirken. Um diese zu erhalten, müsste sich allerdings das Bundeskabinett auf eine Überarbeitung der Registraturrichtlinie von 2011 und eine härtere Gangart gegenüber den Ministern verständigen. Und im Bundeskabinett sitzen: die Minister.

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