Trotz allem will sich Manfred Weber seine gute Laune nicht verderben lassen. Am Montagmittag sitzt er in seinem Büro im 5. Stock, Europäisches Parlament, Brüssel. Vor ihm ein Glas Wasser, es ist heiß, draußen hat es über 30 Grad. Der CSU-Mann kommt gerade von seinem Treffen mit Donald Tusk. Der Ratspräsident hatte nicht nur Weber, den Fraktionschef der EVP, zu sich geladen, sondern auch jene der Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen.
Bis zum EU-Sondergipfel am kommenden Sonntag will Tusk ausloten, wie eine Einigung zwischen dem Europaparlament und dem Europäischen Rat, dem Gremium der Staats- und Regierungschefs, aussehen könnte. Doch im Streit über die Besetzung der EU-Spitzenjobs hat sich die Lage seit dem Gipfel in der vergangenen Woche nicht groß verändert. Oder wie ein hochrangiger EU-Diplomat sagt: "Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel."
Neues Spitzenpersonal für die EU:Ein Sondergipfel in zehn Tagen soll die Lösung bringen
Nach intensiven Diskussionen vertagen sich die Staats- und Regierungschefs auf Ende Juni. Es sei "zu früh, um über Namen und Positionen zu reden", sagt Ratspräsident Tusk. Merkel gibt CSU-Mann Weber nicht auf.
Frankreichs Präsident Macron hat alle drei Kandidaten für erledigt erklärt
Weber, der Spitzenkandidat der EVP, sieht es so: "Die Lage ist klar: Ohne die EVP gibt es keine stabile Mehrheit, weder im Europäischen Parlament noch im Europäischen Rat." Und deshalb sieht er auch keinen Grund, seine Strategie zu ändern. Weber will weiter versuchen, eine Mehrheit im EU-Parlament hinter sich zu versammeln - und die Staats- und Regierungschefs so dazu bringen, ihn als Kommissionschef-Kandidaten vorzuschlagen. Danach will er vom Europaparlament dazu gewählt werden. Doch davon ist Weber genauso weit entfernt wie in der vergangenen Woche, wenn nicht sogar weiter.
Weber behauptet zwar, dass ihn das Ergebnis des EU-Gipfels nicht besonders überrascht habe, aber irritiert wirkt er schon. Schließlich hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gleich alle drei Kandidaten für die Juncker-Nachfolge für erledigt erklärt. Also Weber und seine Konkurrenten Frans Timmermans von den Sozialdemokraten und die Liberale Margrethe Vestager. Schon wahr, keiner von den dreien hat derzeit eine Mehrheit. Und so erhebt Weber, der die stärkste Kraft im EU-Parlament anführt, weiter seinen Machtanspruch. Solange ihn die Regierungschefs der EVP stützen, hat er nichts zu befürchten. Doch die Frage ist: Wie lange tun sie das noch?
Am Mittwoch wird Weber in Berlin erwartet, um zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und EVP-Präsident Joseph Daul einen Schlachtplan für den Sondergipfel am Sonntag zu entwerfen. Die Tage zuvor ist die Kanzlerin noch beim G-20-Gipfel in Osaka, um Vorabsprachen mit Macron und Co. zu treffen. Inwieweit das gelingt, weiß niemand. "Die EVP ist zu Kompromissen bereit. Inhaltlich und personell", sagt Weber. Im Parlament will er weiter an einem fraktionsübergreifenden Programm arbeiten. Und dann gilt noch immer: "Wir haben den anderen Fraktionen angeboten, dass sie alle Spitzenjobs besetzen können - mit Ausnahme des Postens des Kommissionspräsidenten."
Innerhalb der sozialistischen und der liberalen Fraktion gärt es
Weber gibt sich konziliant, er war nie der laute Politiker, auch jetzt nicht. Andere aus seiner Fraktion, etwa der Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, äußern sich weitaus deutlicher: Er sehe einen "revisionistischen Herrn Macron, der alles tut, die europäische Demokratie zu zerstören", sagt Daniel Caspary. Macron scheine "leider auch antideutsch unterwegs zu sein". Dass Weber Deutscher ist, scheint nicht nur für Macron ein Problem zu sein, sondern auch für den sozialdemokratischen spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez. Die beiden hatten sich beim EU-Gipfel klar gegen Weber ausgesprochen. Sánchez ging zwar nicht so weit, alle drei Kandidaten für die Juncker-Nachfolge als gescheitert zu bezeichnen, aber er sagte: "Wir müssen von vorne beginnen."
Die Fraktionschefin der Sozialdemokraten, Iratxe García Pérez, sieht das offenbar nicht ganz so wie ihr De-Facto-Chef in Madrid. In ihrem Gespräch mit Tusk macht sie jedenfalls klar, dass ihre Fraktion zu dem Prinzip stehe, dass nur einer der Spitzenkandidaten Kommissionschef werden solle. Man sei überzeugt, dass Timmermans die nötige Mehrheit im Europaparlament finden könne, schreibt sie auf Twitter. Diese Ankündigung klingt für Weber auf jeden Fall um einiges besser als die Ansagen von Sánchez und Macron beim EU-Gipfel.
Auch wenn sich viele Abgeordnete öffentlich zurückhalten, ist eines klar: Innerhalb der sozialdemokratischen und der liberalen Fraktion gärt es. Viele wollen nicht einfach hinnehmen, dass in Paris und Madrid entschieden wird, was in Brüssel zu geschehen hat. Weber lächelt, wenn man ihn darauf anspricht. Er mag dazu nur so viel sagen: "Wir laufen Gefahr, dass wir in die Zeit der Hinterzimmer-Deals zurückfallen und die Demokratisierung der EU zurück gedreht wird." So oder so ähnlich hat er es auch den anderen Fraktionschefs gesagt.