Malta:"Mafia!" - "Korruption!" - "Schande!"

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Premier Joseph Muscat spricht zu den Medien: Der Fall Daphne Caruana Galizia stürzt das kleine Land in eine Regierungskrise. (Foto: REUTERS)

Viel zu lange hielt Premier Muscat zu den Männern, die nun aufgrund neuer Erkenntnisse im Fall Daphne Caruana Galizia einer nach dem anderen zurücktreten. Seine Gunst im Volk schwindet rasend schnell.

Von Oliver Meiler, Rom

Der Druck auf den maltesischen Premierminister Joseph Muscat wird immer stärker. "Unhaltbar" sei sein Stand, schreibt die Zeitung Malta Today in einem Kommentar - und dies, obschon man dem Regierungschef persönlich keine direkten Vorwürfe macht in den Ermittlungen rund um den Mordfall an der Enthüllungsjournalistin Daphne Caruana Galizia im Oktober 2017. Muscats Gunst im Volk scheint jetzt rasend schnell zu schwinden.

Auf Videoaufnahmen im Netz sieht man, wie aufgebrachte Malteser mit Eiern nach dem Dienstauto des Premiers warfen, als der am Dienstagabend nach dem Rücktritt seiner drei engsten Vertrauten den Regierungspalast verließ. Es war schon der vierte Massenprotest in einer Woche. Organisiert wurde er wieder von Vereinigungen aus der Zivilgesellschaft, von "Repubblika" und "Occupy Justice". Die Teilnehmer skandierten Schlagwörter, die sich wie ein Refrain durch diese heikle Phase in der maltesischen Politik ziehen: "Mafia!" - "Korruption!" - "Schande!"

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Vieles, was die ermordete Journalistin Daphne Caruana Galizia vermutete, bestätigt sich. Nun treten die wichtigsten Vertrauten des Premierministers zurück.

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Maltas Marine konnte die Yacht des Geschäftsmannes gerade noch abfangen

Von Muscat heißt es, er habe viel zu lange an seiner Entourage festgehalten, obschon es seit den Enthüllungen aus den Panama Papers gravierende Zweifel gegeben hatte an Leumund und Integrität seines Stabschefs Keith Schembri und von Tourismusminister Konrad Mizzi. Auch auf Wirtschaftsminister Chris Cardona, der sein Amt nun freiwillig ruhen lässt, lagen Schatten. Warum also ließ Muscat sie so lange gewähren? Die vier Männer, alle von der Labour Party, bildeten seit dem Wahlsieg der Partei 2013 gemeinsam die Machtzentrale Maltas. Sie führten Regie. Übrig bleibt nun nur Muscat, der aber mit jeder neuen trüben Erkenntnis aus seinem Zirkel selbst an Glaubwürdigkeit verliert.

Weiter verschlechtert hat sich die Position von Keith Schembri: Er wurde am Mittwoch verhaftet. Yorgen Fenech, ein prominenter Unternehmer und Kronzeuge, der geschäftlich eng mit Schembri verbunden war, hatte den früheren Stabschef offenbar schwer belastet. Festgenommen wurde in diesem Zusammenhang auch der Leibarzt von Fenech. Der soll als Postbote zwischen Schembri und Fenech fungiert haben, wenn diese in brisanter Angelegenheit jeweils nicht am Telefon miteinander reden mochten. Anscheinend war es Schembri gewesen, der Fenech vergangene Woche geraten hatte, das Land möglichst schnell zu verlassen. Er wusste von den Entwicklungen bei den Ermittlungen, es war ein Insidertipp. Maltas Marine konnte die Yacht des Geschäftsmannes aber gerade noch abfangen.

Fenech sieht nun dennoch eine Chance, straflos davonzukommen, wenn er dafür Schembri ausliefert. Er beantragte einen Gnadenakt des Premiers und versprach dafür Beweise für Schembris Bestechlichkeit. Ob er ihn auch für den Mord bezichtigt, ist nicht klar. Begnadigt wird unterdessen schon ein anderer Mitarbeiter der Justiz: Der kürzlich verhaftete Taxifahrer und Geschäftsmann Melvin Theuma gilt als Mittelsmann beim Mord an "Daphne", wie die Malteser sie kurz nennen.

Die Frage nach dem "Presidential Pardon"

Am Freitag will Theuma aussagen. In Malta geht man davon aus, dass er Tonaufnahmen besitzt, die Schembris Lage noch einmal dramatisch verschlechtern könnten. Der frühere "Chief of Staff" soll Theuma auch einen Job in der Regierung angeboten haben - etwa für dessen Dienste als Mittelsmann?

Die Frage nach dem "Presidential Pardon" für relevante Informationen verwirrt viele Malteser, auch in den Zeitungen. Nach Schembris Rücktritt fragte ein Reporter den Premier, ob er auch seinem ehemaligen Stabschef einen Gnadenakt gewähren würde, wenn der einen beantrage. "Ich glaube", sagte Muscat, "wir wissen noch nicht einmal genau, was die Polizei von ihm wissen will, darum: Lasst uns einen Fuß vor den anderen setzen."

Für den kommenden Sonntag ist eine große Kundgebung der Labour Party geplant. Muscat wird zu seinen Anhängern reden, es gibt ja auch viel zu erklären. Zunächst wollte auch die oppositionelle Nationalist Party demonstrieren, vorgesehen war ein "nationaler Protest". Doch als von allen Seiten Kritik aufkam an der politischen Instrumentalisierung des Dramas, gab man die Idee wieder auf. Fürs Erste jedenfalls.

© SZ vom 28.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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