Britisch-französischer Gipfel:"Merci, mon ami"

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Sie meinen es ernst mit der "entente cordiale": Emmanuel Macron (re.) empfängt Rishi Sunak in Paris. (Foto: EMMANUEL DUNAND/AFP)

Rishi Sunak und Emmanuel Macron wollen die zerrüttete Beziehung zwischen London und Paris wieder verbessern. Doch bei allen Gemeinsamkeiten: Einfach wird das nicht.

Von Alexander Mühlauer, London

Gleich bei seiner Ankunft in Paris machte Rishi Sunak klar, dass mit ihm jetzt ein anderer Ton in Downing Street herrscht. "Enge Nachbarn. Große Freunde. Historische Verbündete.", schrieb er auf Twitter. Der britische Premier war am Freitag zu einem Gipfeltreffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gereist, um nicht weniger als "ein neues Kapitel" in den Beziehungen zwischen London und Paris aufzuschlagen.

Seit fünf Jahren hatte es keinen britisch-französischen Gipfel mehr gegeben. Das letzte Treffen fand 2018 statt. Die britische Premierministerin hieß damals Theresa May, in Frankreich war Macron bereits im Amt. Danach kühlte sich das Verhältnis zwischen London und Paris deutlich ab. Als Premier ließ Boris Johnson im Brexit-Fischereistreit Kriegsschiffe patrouillieren; Nachfolgerin Liz Truss antwortete auf die Frage, ob Macron ein Freund oder Feind sei, mit dem Satz "The jury is still out", was so viel heißt wie: Das ist noch nicht entschieden.

Sunak hat sich entschieden. Er will den politischen Scherbenhaufen aufkehren, den seine Vorgänger hinterlassen haben. Macron ist offenbar gewillt, Sunak dabei zu helfen. Die beiden scheinen sich gut zu verstehen, was womöglich daran liegt, dass sie nicht nur etwa gleich alt sind, sondern auch gelernte Investmentbanker. Hinzu kommt: Beide sind innenpolitisch angeschlagen, da sind schöne Bilder mit Verbündeten nicht von Nachteil. Macron dürfte sich schon auf den Besuch von König Charles freuen, der Ende März auf Schloss Versailles erwartet wird.

London würde die Flüchtlinge gerne zurückschicken. Doch seit dem Brexit geht das nicht mehr

Am Freitag war jedenfalls zu beobachten, dass Sunak und Macron es ernst meinen mit der "entente cordiale". Macron hieß "cher Rishi" vor dem Élysée-Palast willkommen, dann legten beide einen Arm auf die Schulter des anderen und gingen gut gelaunt zum Arbeitsessen. Auf dem Programm stand neben wirtschafts- und sicherheitspolitischen Themen auch die Frage, wie die beiden Länder mit jenen Menschen umgehen, die auf Schlepperbooten den Ärmelkanal überqueren, um von Frankreich nach Großbritannien zu kommen. Allein im vergangenen Jahr gelangten mehr als 45 000 auf diesem illegalen Weg ins Königreich.

Es sind Menschen, die London am liebsten zurückschicken würde. Doch seit dem Brexit geht das nicht mehr. Großbritannien ist nicht mehr Teil des Dublin-Systems der EU. Und weil der frühere Premier Johnson im Zuge des Austrittsvertrags kein Abkommen über die Rückführung von Migranten geschlossen hat, sieht Paris keinen Grund, London da entgegenzukommen. Aus französischer Sicht ist das ohnehin Brüsseler Terrain, Sunak müsste also Gespräche mit der EU-Kommission aufnehmen.

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Doch so viel Zeit hat der Premier nicht, im kommenden Jahr wird ein neues britisches Parlament gewählt. Sunak hat versprochen, die Schlepperboote zu stoppen, und so wird London in den kommenden drei Jahren 541 Millionen Euro an Frankreich zahlen, um gemeinsam gegen kriminelle Banden vorzugehen. Mit dem Geld sollen mehr Polizisten vor Ort tätig sein, auch Geheimdienstinformationen werden verstärkt ausgetauscht.

Enger als in Migrationsfragen arbeiten Paris und London seit Langem bei verteidigungs- und sicherheitspolitischen Themen zusammen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat dafür gesorgt, dass die Abstimmung noch besser geworden ist. Bei Waffenlieferungen und bei der Ausbildung von ukrainischen Soldaten soll sich das künftig noch stärker zeigen.

Trotz aller Freundschaftsbekundungen gibt es neben dem Brexit allerdings noch etwas, das in Paris noch immer für Verstimmung sorgt: der Militärpakt Aukus, den London 2021 mit den USA und Australien geschlossen hat. Aber an diesem Freitag in Paris soll nichts die traute Einigkeit stören. Bei der abschließenden Pressekonferenz bedankte sich Sunak bei Macron mit Worten, die man schon lange nicht mehr von einem britischen Premier gehört hat: "Danke, mein Freund", "Merci, mon ami".

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