Marseille:So will Macron die Probleme seiner "Lieblingsstadt" bekämpfen

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Ein Präsident zum Anfassen will er sein: Emmanuel Macron und das Volk, am Montag im Marseiller Viertel Busserine. (Foto: Ludovic Marin/Reuters)

Fünf Milliarden Euro sollen nach Marseille fließen. Besonders Schulen soll geholfen werden. Beim Thema Drogen hat sich die Haltung des Präsidenten geändert.

Von Thomas Kirchner, Paris

Emmanuel Macron zieht mal wieder durchs Land. Das hat Frankreichs Präsident schon nach den Gelbwesten-Protesten gemacht, um mit den Menschen, die sich über seine Politik und seine angebliche Arroganz echauffierten, in Kontakt zu kommen. Nach der Aufregung über die Rentenreform, die er am Parlament vorbei durchdrückte, versucht es Macron wieder so. Er pries das Kulturerbe am Mont-Saint-Michel, sprach mit Angestellten der pharmazeutischen Industrie an der Ardèche, und gerade verbringt er drei volle Tage in Marseille. Weil das erklärtermaßen die "Lieblingsstadt" des gebürtigen Nordfranzosen ist, kann er hier das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.

Marseille ist ein Problem, schon lange. Wenn Franzosen an die Hafenstadt denken, kommen ihnen selten das helle Licht oder das türkisfarbene Meer in den Sinn, sondern meistens: Rauschgift, Bandenkriege, bittere Armut mitten in großem Reichtum, verfallende Schulen, Wohnungsnot, Schmutz. Eigentlich müsse man alle schwierigen Viertel "abreißen und neu aufbauen", sagte der frühere Premierminister Manuel Valls einmal. Das träfe allerdings große Teile der Innenstadt, ist also keine gute Lösung. Statt der Abrissbirne sind vor allem Geld, Jobs und politischer Wille nötig.

"Wir haben genug", schleudert eine Anwohnerin dem Präsidenten entgegen

Das hat Macron verstanden. Schon vor zwei Jahren hatte er einen dieser sehr französischen Entwicklungspläne namens "Marseille en grand" verkündet, ungefähr: Marseille ganz groß. Fünf Milliarden Euro sollten aus der Staatskasse regnen, unter anderem für zusätzliche Polizisten und Lehrer, die Renovierung von Schulen, eine weitere Straßenbahnlinie in Frankreichs zweitgrößter Stadt.

Nun soll Phase zwei folgen, "noch schneller" als bisher. Begleitet von acht Ministern eilt Macron durch die sommerlich heiße Metropole. Der Montag war dem Thema Sicherheit gewidmet. Mit gemischten Eindrücken. Während ihn manche bei einem Bad in der Menge als "Retter" feierten, bekam er in Busserine im Norden auch Zunder. "Wir haben genug", schleuderte ihm eine Anwohnerin entgegen: "Man lässt Sie glauben, dass hier alles in Ordnung sei. Dass man sich um uns kümmert. Aber das stimmt nicht. Nichts ist passiert."

Was die Drogen betrifft, ist Macron nach anfänglicher Sympathie für eine Legalisierung längst wieder auf Repression umgeschwenkt. Wer bei illegalem Konsum erwischt wird, soll die Strafe künftig an Ort und Stelle bezahlen müssen, bar oder per Karte, versprach Macron. Bisher kann das Geld in weniger als der Hälfte der Fälle eingetrieben werden.

Die Linke wirft ihm vor, Ärmere aus der Innenstadt verdrängen zu wollen

Am Dienstag besuchte Macron eine Schule. Bei reparierten Klos und neuen Tafeln will er es nicht belassen. Zum Erstaunen der Fachwelt hatte er 2021 mehrere Dutzend Lehranstalten Marseilles zu Vorreitern seines Projekts "Schule der Zukunft" erklärt. Die Grundidee ist, den Lehrern deutlich mehr pädagogische Freiheit für Projekte ihrer Wahl zu geben. Kritiker haben dies als "neoliberales Labor" gegeißelt. Die Einheitlichkeit des Unterrichts sei gefährdet.

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Die Linke sieht Macrons Marseille-Engagement ohnehin skeptisch. Das viele Geld, monieren sie, fließe vor allem an die Bürgerlichen. Es gehe darum, die unteren Klassen aus der Innenstadt zu entfernen, um eine "gigantische Gartenparty für die Bourgeoisie" zu veranstalten. Wie zur Provokation sagte Macron der Mutter eines arbeitslosen Gärtners in Marseille, er würde, wenn er suche, noch am Abend "zehn Angebote" für ihren Sohn finden. In der Wortwahl erinnerte er bewusst an einen ähnlichen Vorfall 2018. Damals wie heute kritisierten Gewerkschafter seine Äußerungen scharf.

Die politische Rechte wiederum hält die Stoßrichtung der Hilfe für verfehlt. Die Probleme lägen vor allem in der Immigration begründet, so der Rassemblement National. Die Delinquenten in Marseille hätten überwiegend migrantischen Hintergrund, sagte Parteichef Jordan Bardella im TV, "und ohne Sicherheit gibt es einfach keine Entwicklung".

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