Lübcke-Prozess:"Er ist voll Hass"

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Markus H. wird am Donnerstag in den Gerichtssaal geführt. Später wird er sich viele Notizen machen. (Foto: Jan Huebner/imago images)

Im Prozess um den Mord an dem Kassler Regierungspräsidenten Lübcke äußern sich zwei Bekannte des Mitangeklagten Markus H. aus der JVA Frankfurt. Das Gericht hatte Hoffnungen in sie gesetzt.

Von Anika Blatz, Frankfurt

Für Markus H. geht es um viel an diesem Verhandlungstag. Das Gericht versucht erneut herauszufinden, ob H., dem die Bundesanwaltschaft psychische Beihilfe zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vorwirft, vielleicht doch mehr als nur ein Gehilfe war; nämlich Mittäter.

Zuerst hatte der mutmaßliche Schütze Stephan Ernst gesagt, er habe die Tat alleine begangen. Später sagte er, sein Freund H. sei der Schütze gewesen, jedoch habe sich der Schuss versehentlich gelöst - und in einer dritten und bislang letzten Variante, er und H. seien gemeinsam zum Tatort gegangen, sie hätten die Tat auch gemeinsam geplant. Die beiden letzten Versionen würden Mittäterschaft bedeuten. Und so hat das Gericht unter seinem Vorsitzenden Richter Thomas Sagebiel am Donnerstag mehrere Zeugen geladen: ehemalige Mithäftlinge von H., die ihn in der Justizvollzugsanstalt Frankfurt kennenlernten.

Da ist zum Beispiel Hasan E. Er teilt unter anderem das Essen aus, so hat er viel Kontakt zu den anderen Gefangenen. Er erzählt, wie H. über den jetzigen Hauptangeklagten Ernst sprach: wie sie gemeinsam im Schützenverein das Schießen übten, einmal pro Woche ein Bier tranken und gemeinsam auf ausländerfeindliche Demos gingen. Er habe Ernst die Waffe gegeben, mit der dieser Lübcke auf seiner Terrasse erschossen haben soll.

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Im Prozess um den Mord an dem Kassler Regierungspräsidenten Lübcke beantwortet der Hauptangeklagte Fragen der Familie des Ermordeten. Das bunte Leben im Haus der Lübckes habe seinen Hass noch gesteigert.

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Ob H. ihm auch Genaueres zur Tat erzählt habe, fragt Richter Sagebiel, oder ob er Befürchtungen geäußert habe, wie es mit ihm weitergehen könne. "Nein", antwortet Hasan E. Meist kann er sich nicht erinnern, es sei alles schon so lange her. Warum er keine Aussage bei der Polizei machen wollte, will Sagebiel wissen. Er habe Familie, sagt Hasan E. "Der Mord war ausländerfeindlich, und ich bin Ausländer."

Aufmerksam, im weißen Kurzarmhemd, das seine leicht bullige Erscheinung betont, folgt Markus H. dem Geschehen. Immer wieder fixiert er die Zeugen, macht sich Notizen. Ab und an huscht ein süffisantes Lächeln über sein Gesicht. Ganz anders Stephan Ernst: Er wirkt angeschlagen, sitzt mit gesenktem Blick da oder scheint ins Leere zu starren. Die Frage des Richters, ob er bedroht worden sei, verneint Hasan E. Die Zeugenvernahme ist zäh.

Der Zeuge hat Aufzeichnungen gemacht. Der Richter liest ihm nun daraus vor

Zäh geht es auch beim zweiten Zeugen weiter, Youssef E. Auch der lernte H. in der JVA in seiner Funktion als Hausarbeiter kennen, auch er gibt an, vieles nicht mehr zu wissen. Immerhin hatte er schriftliche Aufzeichnungen von seinen Gesprächen mit H. gemacht, die die Bundesanwaltschaft nun verwendet. Über H. sagt er: "Er ist voll Hass. Voll Hass gegen Ausländer vor allem."

H. habe sich mit Ernst verschlüsselte Chat-Nachrichten geschrieben. Aus seinen Aufzeichnungen liest ihm der Richter die Stelle vor, die das Gericht besonders interessiert: H. befürchte, dass man seine DNA auf dem Beifahrersitz des Autos finden könnte, mit dem zum Tatort gefahren wurde. Und weiter: Er habe Angst davor, dass Stephan ihn in diese Sache reinziehe. An einer Stelle schreibt er, H. sei Mittäter gewesen. "Warum schreiben Sie ,Mittäter'?", will Sagebiel wissen, "Ich nehme an, Sie sind nicht rechtskundig?"

Der Zeuge erwidert, damit meinte er, H. sei in die Sache verwickelt. Weil er Ernst die Waffe besorgt habe. Also wieder keine Aussage, die das Gericht weiterbringen könnte.

Am Nachmittag dann präsentieren zwei Vermessungsingenieure des Landeskriminalamts eine interaktive Tatortdokumentation. 3D-Laserscan-Aufnahmen zeigen Lübckes Haus: von oben, von vorn, drumherum, die Terrasse. Zu sehen ist, wie sich die Tat nach den Aussagen von Ernst abgespielt haben soll - einmal in den Varianten er als Einzeltäter, dann gemeinsam mit H. Die Animation ermöglicht es, dem Täter respektive den Tätern bei der Tat, wie sie sich abgespielt haben könnte, zu folgen. Es geht um Laufspuren in der Wiese, die Stuhlposition Lübckes anhand der gefundenen Blutspuren. Lübckes Witwe Irmgard Braun-Lübcke geht dies zu nahe. Mit dem Richter hat sie vereinbart, den Raum zu verlassen, bevor die Animation startet.

© SZ vom 04.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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