Gesundheit:Hilfen für Long-Covid-Betroffene fallen geringer als angekündigt aus

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"Wir haben ja die Pandemie für beendet erklärt, und das ist die Lage der allgemeinen Bevölkerung. Für die Menschen mit Long Covid ist die Pandemie noch lange nicht beendet", sagt Lauterbach. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Schon heute sind wohl Millionen in Deutschland teilweise schwer an Long Covid erkrankt. Trotzdem fehlen Therapien, Medikamente und Wissen. Karl Lauterbach startet nun eine Initiative - mit weitaus weniger Mitteln als geplant.

Von Simon Sales Prado, Berlin

Atembeschwerden, Fatigue, auch Herz oder Nervensystem können betroffen sein: Das sind nur einige der Symptome von Long Covid. Die Krankheit ist mittlerweile weit verbreitet. Viele, die selbst nicht darunter leiden, kennen Betroffene. Es kann jeden treffen. Und es wird wohl noch viele treffen. Wie viele, das kann man nicht genau sagen. Und damit ist man schon mitten im Problem.

Das Thema Long Covid ist unterbelichtet - in Politik, Wissenschaft, Medizin. Carmen Scheibenbogen von der Berliner Charité ist eine der führenden Forscherinnen auf dem Gebiet, die Immunologin gibt einen Überblick über die Situation: Nach aktuellen Zahlen der WHO ist einer von 30 Menschen in Europa betroffen, auf Deutschland bezogen wären das weit über zwei Millionen. Betroffene sind oft jahrelang krank, bisher lassen sich bei schweren Ausprägungen wie ME/CFS (kurz für: Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) eigentlich nur Symptome behandeln. Es fehlen Studien und Therapien, Wissen bei medizinischem Personal, überhaupt Kapazitäten. Wer heute an Symptomen leidet und zur spezialisierten Ambulanz an der Charité gehen möchte, die Carmen Scheibenbogen leitet, muss eine Wartezeit von sechs Monaten in Kauf nehmen.

"Für die Menschen mit Long Covid ist die Pandemie noch lange nicht beendet."

"Wir haben ja die Pandemie für beendet erklärt, und das ist die Lage der allgemeinen Bevölkerung. Für die Menschen mit Long Covid ist die Pandemie noch lange nicht beendet", sagt Karl Lauterbach. Im Gesundheitsministerium geht man davon aus, dass noch viele an Long Covid erkranken werden. Der Bundesgesundheitsminister gesteht selbst ein, dass die Lage für Betroffene schlecht ist. Er sagt: "Die Zukunft von Long Covid hat leider erst begonnen."

Gemeinsam mit Carmen Scheibenbogen und Bernhard Schieffer, dem Direktor des Universitätsklinikums Marburg, hat der Gesundheitsminister von der SPD nun in Berlin vorgestellt, wie er Betroffenen helfen will. Lauterbach will Erkrankte vernetzen, er will medizinisches Personal besser informieren und er will Studien finanzieren. Das Ministerium stellt dafür aber nun viel weniger Geld zur Verfügung als erwartet.

"Das Teuerste wird sicher sein, nichts zu tun."

Mit insgesamt 21 Millionen möchte das Ministerium selbst Projekte fördern, neue Behandlungsmethoden erforschen. Durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, in dem Vertreter von Ärzten, Kliniken und gesetzlichen Krankenkassen sitzen, stehen weitere 20 Millionen Euro zur Verfügung. Mit den insgesamt 41 Millionen bleibt der Gesundheitsminister aber weit hinter seinen angekündigten Plänen zurück - ursprünglich waren 100 Millionen für die Long-Covid-Forschung vorgesehen. Angesichts der Haushaltslage spricht Lauterbach von einem Erfolg.

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Carmen Scheibenbogen gibt sich mit dem Betrag für den Anfang zufrieden. Nicht, weil er ausreicht, sondern weil überhaupt etwas getan wird. Erkrankungen wie Long Covid gab es schon vor der Pandemie, man habe sich aber lange nicht dafür interessiert. Mit Blick auf die nächsten Jahre sagt sie: "Die bisherigen Initiativen werden nicht reichen." Und: "Das Teuerste wird sicher sein, nichts zu tun."

Einer neuen Studie zufolge trägt Deutschland durch Long Covid bereits jetzt Kosten in Milliardenhöhe. Neben den Investitionen in die Forschung, plant Lauterbach deswegen im Rahmen seiner Initiative, Betroffene, Expertinnen sowie Pharmakonzerne im Herbst an einen runden Tisch zu bringen. Außerdem hat das Ministerium eine Website entwickelt, die über Long Covid informiert. Dort finden sich Informationen für Betroffene, aber auch für Ärztinnen und Ärzte. Es werden ausgewählte Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung erklärt, eingeordnet und mit Quellen belegt.

Carmen Scheibenbogen hat die Entwicklung der Seite betreut. Sie hebt die Bedeutung der Informationen für Mediziner hervor. Zwar handle es sich um ein komplexes Krankheitsbild, zu dem man vieles noch nicht wisse, allerdings fehle in Praxen und bei medizinischem Personal oft auch Wissen zum Umgang mit Long Covid, das bereits existiert. Es komme zum Beispiel vor, dass Betroffenen falsche Schmerz- oder Schlafmittel verschrieben werden. Das lasse sich auch heute schon ändern.

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