Lisa Paus:"Eine klare Feministin"

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Die als Nachfolgerin von Anne Spiegel designierte neue Familienministerin Lisa Paus gilt als fleißig und uneitel. (Foto: Fabian Sommer/Reuters)

Das Bundesfamilienministerium bekommt eine Chefin, die als penible Arbeiterin gilt - und deren Berufung den Machtanspruch des linken Flügels innerhalb der Partei stützt.

Von Constanze von Bullion und Angelika Slavik, Berlin

Fast auf die Sekunde genau fünf Minuten dauert das erste Statement der künftigen Bundesfamilienministerin. Lisa Paus, 53, steht am Donnerstag zwischen den beiden Grünen-Parteichefs Omid Nouripour und Ricarda Lang, beide haben sie eben in höchsten Tönen gelobt: Sie sei eine überzeugte Kämpferin für soziale Gerechtigkeit. Sie kenne als alleinerziehende Mutter die damit verbundenen Schwierigkeiten aus eigener Erfahrung. Und in Finanzfragen mache ihr auch keiner was vor.

Jetzt ist sie selbst dran. Paus sagt, sie habe "Riesenrespekt" vor der Aufgabe, freue sich aber darauf. Und sie richtet sich dann an ihre glücklose Vorgängerin Anne Spiegel, die am Anfang der Karwoche zurücktreten musste: "Liebe Anne, du hast viele wichtige Projekte auf den Weg gebracht, die bleiben werden."

Paus, ausgebildete Volkswirtin und bislang stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, soll Ruhe bringen in dieses Ministerium, das bewegte Zeiten hinter sich hat. Schon lange gab es keine Ministerin mehr, die diese Aufgabe über eine volle, reguläre Amtszeit brachte - wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen. Manuela Schwesig (SPD) wurde 2017 Ministerpräsidentin, die Legislaturperiode brachte Katharina Barley (SPD) zu Ende. Es folgte Franziska Giffey (SPD), die nach Plagiatsvorwürfen zurücktrat. Christine Lambrecht (SPD) übernahm bis zur Wahl. Dann führte Anne Spiegel (Grüne) das Haus, ihre Zeit endete nach nur vier Monaten Anfang dieser Woche.

Jetzt also Lisa Paus - und die stellt eines gleich klar: "Auch mit mir im Ministerium wird es wieder eine klare Feministin geben."

Der Proporz ist gewahrt

Paus wird dem linken Flügel der Partei zugerechnet. Neben ihrem Engagement für eine sozial gerechte Finanzpolitik spielte das bei ihrer Berufung wohl eine entscheidende Rolle. Der Parteivorstand habe entschieden, dass die Flügel-Balance bei der Besetzung der Kabinettsposten gewahrt bleiben solle, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters einen Vertreter der Grünen. Die Partei achtet bei der Besetzung von Posten, erstens, auf ein mindestens ausgeglichenes Verhältnis von Männern und Frauen. Deswegen sollte auf Anne Spiegel zwingend wieder eine Frau folgen. Neben der Geschlechterparität spielen aber, zweitens, auch noch die innerparteilichen Strömungen eine Rolle: Zwischen der Parteilinken und dem Realo-Flügel soll die Macht in Balance bleiben. Innerhalb des grünen Regierungsteams werden Außenministerin Annalena Baerbock, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir den Realos zugeordnet. Nach dem Rücktritt von Anne Spiegel war mit Umweltministerin Steffi Lemke also nur noch eine Vertreterin des linken Flügels im Kabinett.

Bei den Grünen gab es durchaus auch Stimmen, die diese Flügellogik überwinden wollten. Dann hätte sich zum Beispiel Katrin Göring-Eckardt, aktuell Vize-Präsidentin des Bundestags, Chancen auf den Ministerinnenjob ausrechnen dürfen. Sie gilt aber als Reala - und so leicht wollte der linke Flügel seinen Machtanspruch dann eben doch nicht aufgeben. Das könnte auch vor dem Hintergrund anstehender Abstimmungen wichtig werden, etwa über die 100 Milliarden Euro Sondervermögen der Bundeswehr.

Nun bekommt das Bundesfamilienministerium eine Chefin, die als fleißig und uneitel gilt. Lisa Paus engagiere sich auch mal bei Aufgaben, die viel Arbeit und wenig Prestige brächten - etwa bei der Programmarbeit. Und sie arbeite sich stets tief ins Zahlenwerk ein, heißt es über sie. Paus ist in Westfalen geboren und in Emsbüren in Niedersachsen aufgewachsen, ihre Eltern hatten eine Maschinenbaufirma. In ihrer Jugend war sie niedersächsische Landesmeisterin im Schwimmen. Später studierte sie Volkswirtschaft und Politikwissenschaft, machte ihr Diplom mit dem Schwerpunkt Geld- und Fiskalpolitik. 1995 trat sie den Grünen bei, vier Jahre später war sie Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus. 2009 zog sie erstmals in den Bundestag ein, im gleichen Jahr bekam sie einen Sohn. 2013 starb ihr Lebensgefährte, der Vater des Kindes, an Krebs. Auf ihrer Homepage schreibt Paus, dass sie sich auch deshalb für selbstbestimmte, humane Sterbehilfe engagiere.

Scholz und Paus freuen sich auf die Teamarbeit - trotz Wirecard

Im Bundestag arbeitete sie unter anderem im Finanzausschuss, engagierte sie sich für ein Geldwäschegesetz, das kriminellen Clans lukrative Immobiliengeschäfte erschweren soll. Und Paus war Vertreterin ihrer Partei im Wirecard-Untersuchungsausschuss. In diesem Zusammenhang tat sie sich als pointierte Kritikerin des früheren Finanzministers und heutigen Kanzlers Olaf Scholz (SPD) hervor. Ob das gutgeht? Mit Scholz habe sie bereits gesprochen, sagt Paus. Man habe sich wechselseitig versichert, sich auf die Zusammenarbeit zu freuen.

Die Entscheidung für Lisa Paus ist von besonderer Bedeutung für die Grünen, denn die Familien- und Sozialpolitik soll maßgeblich die grüne Handschrift in der Bundesregierung prägen. Man habe mit dem Ministerium "eine wahnsinnige Modernisierungsmöglichkeit in der Gesellschaftspolitik", sagte Parteichefin Lang schon vor der Personalentscheidung.

Paus benennt gleich die Eckpunkte ihrer künftigen Arbeit: Die Kindergrundsicherung geht ohnehin auf ein Konzept zurück, an dem sie maßgeblich mitgearbeitet hat. Zudem wolle sie gegen die strukturelle Benachteiligung von Frauen kämpfen, auch der Kampf gegen Gewalt solle einen Schwerpunkt bilden. Zudem sei ihr Lohntransparenz ein großes Anliegen, sagt sie. Der Termin für ihre Vereidigung ist noch offen.

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