Linke:Gregor Gysi will Präsident der "Europäischen Linken" werden

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"Ich befürchte, wenn man gegenwärtig Volksabstimmungen machte, wäre eine Mehrheit der Bürger für den Austritt," sagt Gregor Gysi. Er aber will, trotz aller Kritik, die EU retten. (Foto: Georg Wendt/dpa)
  • Gregor Gysi, langjähriger Fraktionsvorsitzender der Linken, will sich am Samstag als Präsident der EU-kritischen Partei "Europäische Linke" wählen lassen.
  • Der Posten gilt als wenig angenehm: Die EL ist ein schwer steuerbares Sammelsurium sozialistischer und kommunistischer Parteien Europas.
  • Gysi kritisiert die EU gerne - spricht sich aber letzlich doch immer dafür aus, sie "zu retten".

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die EU kritisieren und dennoch für europäische Integration werben, Brüsseler Bürokraten auf die Füße treten, aber eben anders als Rechtspopulisten dies tun - so klingt es, wenn Gregor Gysi über Europa spricht. Der langjährige Vormann der Linkspartei, der sich im Herbst aus der ersten Reihe im Bundestag zurückgezogen hat, will als erklärter Pro-Europäer am Samstag Präsident der EU-kritischen Partei "Europäische Linke - European Left" (EL) werden.

Die Wahl des 68-Jährigen beim EL-Kongress in Berlin gilt als sicher. Gegenkandidaten gibt es keine, was auch dran liegen könnte, dass der Posten nicht als der angenehmste gilt.

Die EL ist ein schwer steuerbares Sammelsurium sozialistischer und kommunistischer Parteien Europas. Wie bei allen Europaparteien ist ihr Einfluss auf die Realpolitik nicht groß. Nach dem Brexit und der Wahl von Donald Trump aber findet die EL sich in einer zentralen Debatte wieder über soziale Konflikte in Europa, nationale Souveränität und Abgrenzung vom neuen Rechtstrend.

Gysis Liste der Kritikpunkte ist lang - retten will er die EU dennoch

Ein Disput also ganz nach Gysis Geschmack. Zum einen sucht er eine neue Aufgabe und soll seinen Nachfolgern im Bundestag nicht reinreden. Zum anderen hat er als Sohn kommunistischer und frankophiler Widerstandskämpfer die europäische Einigung immer als eine Abkehr von Krieg und Verheerung in Europa betrachtet.

Fragt man Gysi, was er eigentlich vorhat an der Spitze der EL, spricht er von seiner großen Besorgnis über die Entwicklung der EU. Und er sagt: "Ich befürchte, wenn man gegenwärtig Volksabstimmungen machte, wäre eine Mehrheit der Bürger für den Austritt." Grund dieser Erosion des europäischen Gedankens sei, dass die EU "unsolidarisch, unsozial, intransparent, ökologisch nicht nachhaltig und auch bürokratisch" sei. Gysis Liste der Kritikpunkte ist lang, doch folgt am Ende immer ein Aber: "Ich bin aber dafür, die EU zu retten."

Reform statt Ausstieg, Solidarität statt Nationalismus, ist die Devise. Die Rückkehr zum Schlagbaum sei der Jugend nicht mehr zu vermitteln, sagt Gysi. Auch könnten einzelne Nationalstaaten weder ökonomisch noch politisch mit Staaten wie China oder den USA mithalten. Einen nationalen Sonderweg, der Deutschland in zwei Weltkriege geführt habe, dürfe es nie wieder geben. Die einflussarme EL aber müsse auch "ein Faktor auch gegen die Rechtsentwicklung in Europa" werden - und grundsätzliche Reformen in Brüssel vorantreiben.

Einige Linke fordern mehr nationale Souveränität

Wie Gysi sehen das nicht alle in der EL. Portugals Linksblock will raus aus der EU, deren Sparpakete sie für hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich macht. Dänische Linke wollen mehr nationale Souveränität. Und auch in Deutschland warnen manche vor zu viel Europaliebe. "Die Europäische Linke braucht keine Positionen, die von europapolitischen Illusionen geprägt ist", sagt der Linkspolitiker Tobias Pflüger, der die EU aus "neoliberalen und militärischen Gründen" kritisiert.

Fragt man Gysis Nachfolgerin, die EU-Kritikerin Sahra Wagenknecht, wo die Reise der EL hingehen soll, sagt sie, es müsse "auch wieder mehr Spielräume in den einzelnen Ländern" geben. Nationale Spielräume? Das Wort ist nicht gefallen.

© SZ vom 16.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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