Lindner wird FDP-Spitzenkandidat in NRW:Selbst im Scheitern liegt seine Chance

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Er war so jung und grazil, deshalb haben sie ihn einst "Bambi" getauft. Jetzt, wenige Jahre später, hat Christian Lindner einen Höllenritt vor sich: Der frühere Generalsekretär soll die FDP in Nordrhein-Westfalen aus der Krise führen. Das ist kaum zu schaffen. Aber selbst wenn die Liberalen den Sprung in den Landtag nicht schaffen, kann Lindner profitieren.

Thorsten Denkler

Du hast keine Chance, also nutze sie - ausgerechnet die FDP hat diesen etwas abgedroschenen Spruch am Donnerstagabend mit neuem Leben erfüllt. Keine der bis dahin denkbaren Optionen, wie es nach der Neuwahl-Entscheidung in Nordrhein-Westfalen für die FDP weitergehen soll, hat sie irgendwie überzeugen können. Einige Landes-Liberale schienen sich in Schockstarre zu befinden.

Als Generalsekretär zurückgetreten, jetzt wieder an der Spitze: Christian Lindner soll den FDP-Landesverband Nordrhein-Westfalen in die Neuwahl führen. (Foto: dapd)

Bei zwei Prozent liegt die FDP in Umfragen. Damit haben die liberalen Landtagsabgeordneten am vergangenen Mittwoch mit ihrem Nein zum rot-grünen Haushalt praktisch ihren eigenen Rauswurf aus dem Parlament bestimmt. Gewollt war das nicht, aber ohne totalen Gesichtsverlust war es auch nicht mehr zu ändern.

Was auf dem Zettel der Möglichkeiten stand, sah alles in allem traurig aus. Der knorrige Fraktionschef Gerhard Papke als Spitzenkandidat? Nichts gegen den Mann, aber er hätte wohl eher für Abbruch- als Aufbruchstimmung gesorgt. Oder sollte Daniel Bahr, der Landeschef, seine Partei in die Wahl führen? Das ist eigentlich sein Job. Aber die Frage wäre gewesen, ob er auch bereit ist, sein Ministeramt in Berlin für einen mittelprächtigen Posten als Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag aufzugeben.

Nein, das konnte es alles nicht sein. Bahr wird nun die Idee zugeschrieben, dass nur Lindner es machen könne. Anders als er kennt sich Lindner in der Landespolitik bestens aus. Von 2004 bis 2010 war er Generalsekretär der Landespartei und langjähriges Mitglied im Landesparlament. Lindner ist bestens vernetzt in seinem Heimatland.

Lindner war 25, als er Generalsekretär wurde. Als Bambi haben sie ihn bezeichnet in NRW, wegen seines noch jugendlichen Alters und seines grazilen Auftretens. Jetzt, mit 33 Jahren, hat Bambi einen wahren Höllenritt vor sich.

Irgendwie muss er die FDP von aktuell zwei Prozent in den Umfragen auf mehr als fünf Prozent am Wahltag bekommen. Er muss einer Partei, die ihr Image "verschissen" hat, wie FDP-Mann Wolfgang Kubicki aus Schleswig-Holstein sagte, im Grunde ganz neu aufbauen. Die Partei muss aus dem Kriechgang wieder in aufrechte Position kommen und wieder laufen lernen.

Lindner hat das mit der Bundes-FDP schon versucht. Er konnte sich mit seinen neuen Ansätzen für einen sozialen Liberalismus nicht durchsetzen. Nicht gegen Guido Westerwelle, der lieber von "spätrömischer Dekadenz" redete. Und auch nicht gegen Philipp Rösler, der lieber den Wachstumsbegriff für die FDP neu definieren will - was ihm bisher aber nicht gelingt. Entnervt gab Lindner auf und trat im Dezember als Generalsekretär zurück.

Jetzt kann er alle seine Fähigkeiten einsetzen, von denen manche Liberale überzeugt sind, sie seien unerschöpflich. Als Landeschef und Spitzenkandidat hat er keinen Herren mehr über sich. Er sagt, wo es langgeht. Er hat die Mittel und das Personal dafür. Christian Lindner kann sich eine FDP nach seinen Vorstellungen erschaffen.

Die Zeit bis zur Landtagswahl wird nicht reichen, den Laden komplett umzubauen. Doch wenn Lindner auch nur die Spur eines Erfolges hat, dann wird es ihm helfen, auf Dauer seine Visionen umzusetzen.

Er muss dafür die Partei nicht mal in den Landtag bringen - das wäre eine Sensation. Es reicht schon, wenn er von unten an der Fünf-Prozent-Hürde kratzt. Das wäre ein Erfolg für Lindner, und weil erfolgreiche FDP-Spitzenkräfte zuletzt rar waren, würde es erneut ein schlechtes Licht auf Parteichef Rösler werfen.

Ein Erfolg in NRW könnte übrigens auch jene "neue Dynamik" entfachen, die Lindner der Partei bei seinem Abgang im Dezember wünschte. Eine Dynamik, die am Ende ihn als den großen Gewinner dastehen lässt. Verlieren kann Lindner im Moment nicht.

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