Linksextremismus:Erst Zusammenstöße, dann ruhige Nacht in Leipzig

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Nach Ausschreitungen am Abend in Leipzig liegen viele Scherben auf der Dresdner Straße. (Foto: IMAGO/Bernd März/IMAGO/Bernd März)

Nach dem Urteil gegen Lina E. gehen Sympathisanten in mehreren Städten auf die Straße - nicht überall friedlich.

Nach dem Schuldspruch für die linksextreme Studentin Lina E., die wegen mehrerer Angriffe auf Rechtsextreme zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, hat es am Abend in Leipzig Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gegeben. In der Nacht blieb es dann weitgehend ruhig. Im Stadtteil Connewitz brannte allerdings ein Auto. Ein Zusammenhang könne nicht ausgeschlossen werden, sagte eine Polizeisprecherin. Drei Tatverdächtige seien vorläufig festgenommen worden.

Am Mittwochabend hatten nach Polizeiangaben etwa 800 Menschen an einer Demonstration teilgenommen. Die angezeigte Teilnehmerzahl von 150 sei damit "eklatant überschritten" worden. Die Versammlungsbehörde habe einen geplanten Aufzug untersagt und nur eine stationäre Versammlung zugelassen. Gründe seien unter anderem das vermummte und teils militante Erscheinungsbild der Demonstrierenden gewesen, die auch "Schutzbewaffnung" wie etwa spezielle Handschuhe mitgeführt hätten.

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Nach der Versammlung hätten die Teilnehmer versucht, die Absperrungen der Polizei zu durchbrechen. Es seien Flaschen, Steine und Pyrotechnik in Richtung der Einsatzkräfte geworfen worden. Auch gab es laut Polizei Fälle von Körperverletzung. Den Versuch, Barrikaden zu errichten, hätten die Beamten unterbunden. Ein Laser-Pointer sei auf einen Polizeihubschrauber gerichtet worden. Vier Beamte seien durch geworfene Gegenstände leicht verletzt worden. Die Polizei nahm mehrere Straftaten auf. Gegen Mitternacht habe sich die Situation beruhigt.

Lina E. kommt vorerst frei

Lina E. war am Mittwoch zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Das Oberlandesgericht Dresden sprach die aus Kassel stammende 28-Jährige wegen mehrerer Angriffe auf Rechtsextreme der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schuldig. Drei mitangeklagte Männer erhielten Strafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten sowie drei Jahren und drei Monaten. Der Generalbundesanwalt warf der Gruppe vor, zwischen 2018 und 2020 tatsächliche oder vermeintliche Anhänger der rechten Szene in Leipzig, Eisenach und im sächsischen Wurzen brutal zusammengeschlagen zu haben.

Der Haftbefehl gegen E. wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Die Reststrafe muss sie erst verbüßen, wenn das Urteil rechtskräftig ist zu. Das Urteil bleibt mit dem verhängten Strafmaß hinter den Anträgen der Bundesanwaltschaft zurück. Diese hatte acht Jahre Freiheitsstrafe gefordert.

Strafmildernd wirkte bei E. nicht nur der Umstand, dass sie nicht vorbestraft ist und seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt. Der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats sah bei ihr auch die Persönlichkeitsrechte durch die mediale Berichterstattung verletzt und sprach von einer Vorverurteilung. Diese Gründe spielten neben einer Rheuma-Erkrankung auch dabei eine Rolle, dass E. vorerst freikommt. Allerdings räumte das Gericht der 28-Jährigen eine hervorgehobene Bedeutung in der Gruppierung ein, jedoch "keine prägende im Sinne einer Rädelsführerschaft".

Polizei befürchtet Ausschreitungen am Samstag

Solidaritätskundgebungen für Lina E. hatte es nach dem Urteil auch in anderen Städten gegeben. In Bremen versammelten sich Polizeiangaben zufolge 350 meist vermummte Personen. Sie seien dann "relativ schnell und unvermittelt" auf Einsatzkräfte losgegangen, sagte eine Sprecherin. Es seien Glasflaschen und Steine auf Polizisten geworfen worden, auch Pyrotechnik sei gezündet worden.

Die Polizei in Hamburg sprach in der Nacht von etwa 1200 Demonstranten. Auf Transparenten forderten sie unter anderem "Kampf ihrer Klassenjustiz - Getroffen hat es Einzelne, gemeint sind wir alle". Die Kundgebung sei zwar "überwiegend friedlich" verlaufen, jedoch seien Polizisten mit Flaschen und Pyrotechnik beworfen worden. Laut einem Sprecher wurden drei Beamte leicht verletzt. Zudem gab es fünf Festnahmen.

In Berlin gingen nach Polizeiangaben etwa 500 Demonstranten aus der linken Szene auf die Straße - abgesehen von einigen Rangeleien weitgehend friedlich. Auch durch Dresden zogen einige Hundert Demonstranten.

Für Samstag ruft die linksradikale Szene überregional zur Teilnahme an einem großen "Tag X" in Leipzig auf. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen und bereitet einen Großeinsatz vor.

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Kommentar von Ronen Steinke

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