Libyens Staatschef in Italien:Gaddafi, Heilsbringer Europas

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Dem libyschen Staatschef Muammar el Gaddafi, Berlusconis persönlichem Freund, liegt Europa offenbar sehr am Herzen. Damit es nicht "zu einem zweiten Afrika" wird, will er helfen, die Einwanderung zu kontrollieren - und fordert dafür fünf Milliarden Euro von der EU.

Der libysche Staatschef Muammar el Gaddafi hat von der Europäischen Union "jährlich mindestens fünf Milliarden Euro" für den Kampf gegen illegale Einwanderer aus Afrika gefordert. Libyen sei das Eingangstor der "unerwünschten Immigration", diese könne nur an den Grenzen seines Landes gestoppt werden, sagte Gaddafi am Montagabend in Rom.

Die Aufregung sei mit euch: der libysche Staatschef Muammar el Gaddafi und sein italienischer Kollege, Ministerpräsident Silvio Berlusconi, am 30. August 2010. (Foto: Reuters)

Es liege deshalb ganz im Interesse Europas, auf seine Forderungen einzugehen, "sonst kann es schon morgen zu einem zweiten Afrika werden," sagte der libysche Staatschef weiter. Er versicherte, seine Forderung werde auch von Italien unterstützt. Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi an Gaddafis Seite ging auf die Äußerungen seines Gastes nicht weiter ein.

Doch es ist nicht nur diese Aussage des libyschen Revolutionsführers, die bei seinem vierten Besuch in Rom in gut einem Jahr für Aufregung sorgt. Sein Aufruf, "Europa sollte sich zum Islam bekehren", stieß am Montag in römischen Politikerkreisen auf heftige Kritik. Mit diesen Worten hatte er sich am Vorabend vor mehr als 200 extra für ihn rekrutierten jungen Damen kurz nach seiner Ankunft in Rom geäußert.

"Wenn ich in Tripolis die libysche Bevölkerung dazu aufrufen würde, zum Christentum überzutreten, würde ich wahrscheinlich nicht heil nach Hause kommen", kritisierte Rocco Buttiglione von der christdemokratischen Partei UDC die Äußerungen Gaddafis. Mitglieder der Opposition sprachen von einer "peinlichen Show". Emma Bonino, Senatorin der linken Oppositionspartei Partito Democratico sagte: "Jedes Mal, wenn Gaddafi nach Rom kommt, ist es schlimmer als das vorherige Mal." Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi und enge Freund Gaddafis hielt sich hingegen mit öffentlichen Stellungnahmen zurück. "Kein Wirbel um Folklore" sei die Parole, was den Gast aus Libyen angeht, zitierte die römische Tageszeitung La Repubblic a am Montag aus Regierungskreisen.

Doch der Wirbel scheint bei einem Besuch Gaddafis unvermeidlich. Der für seine Exzentrik bekannte Machthaber aus Tripolis reiste diesmal samt 30 Berberpferden in Rom an. Wie immer kam er zu spät. Wie immer brachte er sein eigenes Beduinenzelt mit, das er diesmal im Garten der luxuriösen Residenz seines Botschafters aufschlagen ließ. Der Besuch des "Colonnello" - wie Gaddafi in Italien auch genannt wird - rief auch mehrere Hilfsorganisationen auf den Plan. "Es ist sehr wichtig, dass wir unsere Arbeit in Libyen vollständig wieder aufnehmen", erklärte Laura Boldrini, italienische Sprecherin des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), dessen libysche Basis Anfang Juni auf Geheiß von Tripolis geschlossen worden war. Boldrini wies auf das Problem der Flüchtlinge hin, die weiterhin aus Nordafrika übers Meer nach Italien kämen und meist noch auf See direkt wieder abgeschoben würden, um all zu oft in Libyen zu verschwinden.

Die seit Mitte 2009 von Rom praktizierte und von Tripolis geduldete Ausländerpolitik hatte bereits mehrfach international Kritik ausgelöst. Amnesty International forderte Berlusconi auf, bei dem Treffen mit Gaddafi die Menschenrechtsverletzungen in Libyen anzusprechen. Gaddafi wollte in Rom mit seinem Freund Berlusconi den zweiten Jahrestag eines Freundschaftsabkommens beider Länder feiern. Geplant war der gemeinsame Besuch einer Foto-Ausstellung in der Libyschen Akademie sowie ein Abendessen mit laut Medienberichten 800 geladenen Gästen in der Kaserne "Salvo D'Aquisto" - wegen des Fastenmonats Ramadan erst nach Sonnenuntergang.

Rom hat sich zu Milliarden-Zahlungen in den nächsten 20 Jahren als Ausgleich für Schäden aus der Kolonialzeit verpflichtet - wobei das Geld so investiert wird, dass auch italienische Firmen profitieren.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/dgr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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