Libyen-Treffen in München:"Zurückhaltend formuliert noch Nachholbedarf"

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Gastgeber des Libyen-Außenministertreffens am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz: Bundesaußenminister Heiko Maas. (Foto: Johannes Simon/Getty Images)
  • Die Außenminister der EU sowie Vertreter der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union haben in München über die Lage in Libyen verhandelt.
  • In Libyen stehen sich der abtrünnige General Khalifa Haftar und die international anerkannte Regierung von Premier Fayez al-Serraj feindlich gegenüber.
  • Der internationalen Gemeinschaft ist es bisher nicht gelungen, die Waffenlieferungen an die Kriegsparteien zu stoppen.

Von Daniel Brössler und Paul-Anton Krüger

In München versammelten sich am Sonntagmorgen neun Außenminister, zwei Vizeaußenminister, der EU-Außenbeauftragte sowie hohe Repräsentanten der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union in einem Nebengebäude des Bayerischen Hofs, um über Libyen zu verhandeln.

Zur gleichen Zeit schaltete ein in Kasachstan registriertes schweres Transportflugzeug vom russischen Typ Iljuschin Il-76 im Luftraum über Ägypten seinen Transponder ab, der Position und Flugroute sichtbar macht. Die Maschine mit knapp 50 Tonnen Nutzlast war am Morgen vom Luftwaffenstützpunkt Sweihan bei Abu Dhabi gestartet, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate. Sie ist in den vergangenen Wochen wie mehrere andere Transportmaschinen immer wieder nach Libyen geflogen, nach Bengasi. Es ist das logistische Drehkreuz für die Truppen des abtrünnigen Generals Khalifa Haftar.

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Als Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) nach dem Münchner Treffen vor die Presse trat, gab er sich dennoch zuversichtlich. Es zeige sich, "dass bei allen Dingen, bei denen wir noch nicht am Ziel sind, der Weg, den wir eingeschlagen haben, funktioniert und das diplomatische Engagement der letzten Wochen wirkt".

Soll heißen: Die Libyen-Konferenz, die vor vier Wochen auf Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin abgehalten wurde, war nicht umsonst. Dieser Eindruck hatte durchaus entstehen können, denn weder gibt es eine verlässliche Waffenruhe in Libyen noch konnten die Waffenlieferungen an die Kriegsparteien gestoppt werden.

Mit dem Libyen-Treffen in München sei nun, wie in Berlin vereinbart, ein Komitee geschaffen worden, das die Einhaltung der Berliner Beschlüsse überwacht, berichtete Maas. Hier bestehe "zurückhaltend formuliert noch Nachholbedarf". Überdies gehe es darum, den "innerlibyschen Prozess zu begleiten und zu unterstützen", also Friedensverhandlungen unter Vermittlung der UN.

Alle, die in Berlin dabei gewesen seien, seien auch diesmal am Tisch gewesen und hätten sich erneut zu den Berliner Beschlüssen bekannt. "Dabei ist allerdings auch ganz offen darüber gesprochen worden, dass es offensichtlich war, dass es in den letzten Wochen nicht unerhebliche und zahlreiche Verstöße gegen das Waffenembargo gegeben hat", räumte Maas ein. Das ist der Punkt. Weder hat die Türkei ihre Waffenhilfe für die Truppen der international anerkannten Regierung von Premier Fayez al-Serraj gestoppt, noch haben die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Lieferungen an General Khalifa Haftar beendet. Und schon gar nicht haben die Russen ihre Söldner zurückgepfiffen.

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Maas vermied es, die Verantwortlichen, mit denen er ja soeben zusammengesessen hatte, direkt anzuprangern. Es gebe "unterschiedliche Auffassungen", worauf die anhaltenden Verletzungen des schon seit 2011 geltenden Waffenembargos zurückzuführen seien, sagte er. Was wiederum eine zurückhaltende Darstellung der gegenseitigen Schuldzuweisungen ist, die in den vergangenen Tagen in München hin und her geflogen sind.

Alle seien sich jedenfalls einig, "dass der Weg, den wir eingeschlagen haben, nämlich die Konfliktparteien von ihren Unterstützern zu trennen", der einzig erfolgversprechende sei, meinte Maas. Ein "großer Fortschritt" sei auch die Verabschiedung der Resolution 2510 des UN-Sicherheitsrates, mit der sich - bei Enthaltung Russlands - das Gremium die Beschlüsse von Berlin zu eigen machte und in eine rechtlich verbindliche Form goss. Durch die Resolution steige der Druck, die Beschlüsse auch einzuhalten.

Wie das gelingen soll, ist allerdings immer noch unklar. An diesem Montag werden die EU-Außenminister darüber verhandeln, ob die EU-Mission Sophia im Mittelmeer wiederbelebt wird, um gegen Embargo-Verstöße vorzugehen. Das scheiterte bisher am Widerstand vor allem Österreichs und Italiens, die aus Sorge vor neuen Flüchtlingsströmen keine Missionen zur Seenotrettung wünschen. Deshalb soll die Überwachung zunächst nur aus der Luft stattfinden, etwa mithilfe eines EU-Satelliten.

Regierungstreue Kämpfer an der Salah al-Din-Front südlich von Tripolis. In Libyen herrsche eine "instabile Waffenruhe entlang zahlreicher Frontlinien", sagt Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. (Foto: picture alliance/dpa)

"Wichtig wird sein, Transparenz herzustellen", sagte Maas. Wer die Absicht habe, das Embargo zu brechen, müsse wissen, dass er künftig nicht mehr unerkannt davonkomme. Wichtig sei, dass alle Wege überwacht würden. Er werde sich dafür einsetzen, dass es auf jeden Fall einen Beschluss gebe, kündigte Maas an. Was damit auf Deutschland zukommt, ließ er offen. "Wir werden darüber reden, wer welche Beiträge liefert", sagte er. Als Initiator der Berliner Konferenz sieht er Deutschland aber "in der Verantwortung".

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Die Vereinten Nationen hoffen nun, dass sich in Brüssel etwas bewegt. Das Waffenembargo sei "zu einem Witz" geworden, sagte in München die Vize-Sonderbeauftragte der UN für Libyen, Stephanie Williams. "Es sind die Menschen in Libyen, die am meisten leiden", klagte sie. Die wirtschaftliche Lage verschlechtere sich zusehends, die Zahl der Hilfsbedürftigen steige.

Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), der jüngst Libyen besucht hatte, bestätigt das. Libyen stehe an einer Wegscheide, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Vielen Familien, die bislang staatliche Gehälter bezogen hatten, gehe wegen der Blockade der Ölproduktion durch Haftar das Geld aus. Wenn es nicht gelinge, schnell einen glaubhaften politischen Prozess in Gang zu bringen, der auch eine Normalisierung der wirtschaftlichen Situation erlaube, werde das Land "in eine sehr schwierige Situation kommen" - mit Fluchtbewegungen.

Von einer stabilen Waffenruhe könne keine Rede sein. Es gebe zwar keine großen militärischen Geländegewinne. "Aber das bedeutet nicht, dass es keine Gefechte gibt." Vielmehr habe man es zu tun mit einer "instabilen Waffenruhe entlang zahlreicher Frontlinien", auch in anderen Landesteilen etwa bei Misrata und Bengasi.

Er habe "nicht viel Willen erkannt bei den Gesprächspartnern in Tripolis und Bengasi, zu verhandeln", sagte er. Die Positionen seien nach wie vor sehr verhärtet. Zudem sei er "besorgt zu sehen, wie viele fremde Akzente und Sprachen hörbar sind, dort wo wir tätig sind, die nicht in Libyen beheimatet sind". Das zeige, "dass die Realität noch weit entfernt ist von den politischen Bekundungen" in Berlin und München.

© SZ vom 17.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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