Liberia:Großer Fußballer, mäßiger Präsident, guter Verlierer

Lesezeit: 2 min

George Weah bei einer Konferenz in Paris im November 2021. (Foto: Christophe Ena/AP)

Mit immensen Erwartungen war George Weah 2017 zum Präsidenten Liberias gewählt worden. Nun ist nach einer Amtszeit schon wieder Schluss. Doch er zeigt Größe in der Niederlage.

Von Paul Munzinger, Kapstadt

George Weah ist als Präsident Liberias nach nur einer Amtszeit abgewählt worden. Der frühere Weltfußballer, der nach seiner Sportlerkarriere in die Politik gegangen war, räumte in der Nacht von Freitag auf Samstag seine Niederlage in der Stichwahl vom 14. November ein und gratulierte dem Wahlsieger Joseph Boakai. "Das liberianische Volk hat gesprochen, und wir haben seine Stimme gehört", schrieb Weah in einer Mitteilung.

Ein offizielles Wahlergebnis lag zunächst nicht vor. Doch nach Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen lag Weahs Herausforderer Boakai mit 50,9 Prozent der Stimmen knapp, aber dennoch uneinholbar vorn. Bei der Präsidentschaftswahl am 10. Oktober hatte Weah mit 43,8 Prozent noch hauchdünn vor Boakai mit 43,4 Prozent gelegen. Weil kein Kandidat mehr als die Hälfte der Stimmen erreicht hatte, gab es eine Stichwahl - wie 2017, als es ebenfalls zum Duell Weah gegen Boakai gekommen war. Damals hatte sich Weah mit 62 Prozent klar durchgesetzt.

Auf wirtschaftlichen Aufschwung wartet das Land vergebens

Besonders junge Menschen setzten große Erwartungen in den einstigen Profifußballer. Liberia, ein kleines Land mit fünf Millionen Einwohnern an Afrikas Atlantikküste, gehört zu den ärmsten Staaten der Welt und hat bis heute mit den Folgen zweier jahrelanger blutiger Bürgerkriege zu kämpfen. 2013 bis 2016 fielen Tausende Menschen einer Ebola-Epidemie zum Opfer.

Weah verkörperte die Hoffnung auf Aufstieg: Aufgewachsen in einem Slum in der Hauptstadt Monrovia, feierte er in den Neunzigerjahren große Erfolge mit Paris Saint-Germain und dem AC Mailand. 1995 wurde er - als bis heute einziger Afrikaner - zum Weltfußballer gewählt.

Doch als Präsident konnte er die großen Erwartungen nicht erfüllen. Auf den wirtschaftlichen Aufschwung, den Weah versprochen hatte, wartet das Land bis heute. Hohe Lebensmittelpreise machen vielen Menschen in Liberia zu schaffen. Den Kampf gegen Korruption ging er nach Ansicht vieler Kritiker nur halbherzig an.

Der designierte Präsident Boakai hat Gemeinsamkeiten mit Joe Biden

Vom 57-jährigen Weah geht die Hoffnung nun auf Joseph Boakai über. Er ist mit 78 Jahren nicht nur fast so alt wie US-Präsident Joe Biden, er trägt auch denselben zweifelhaften Spitznamen: Sleepy Joe. Im Januar soll Boakai als Präsident vereidigt werden. Im Wahlkampf hatte er ähnliche Versprechungen gemacht wie Weah fünf Jahre zuvor. Er kündigte an, die Korruption zu bekämpfen, Straßen zu bauen und die Landwirtschaft zu fördern, um die Lebensmittelpreise zu senken. Anders als der Quereinsteiger Weah verfügt Boakai über jahrelange Regierungserfahrung. Von 2006 bis 2018 - während der Regierungszeit von Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf - war er Vizepräsident Liberias.

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George Weah zeigte in der Niederlage die Größe, die er als Präsident nur selten erreichte. Er rief seine Anhänger und Parteifreunde auf, das Wahlergebnis zu akzeptieren. Auch er habe sich einen anderen Ausgang gewünscht, schrieb er. Doch jetzt sei es Zeit, das Land über die Partei zu stellen. Der knappe Ausgang der Wahl zeige, dass es eine tiefe Spaltung im Land gebe, die es nun zu überwinden gelte. "Wir müssen zusammenarbeiten", sagte Weah. Die Bewegung sei noch jung und werde 2029, bei der nächsten Wahl, zurückkehren.

Bislang sieht es so aus, als hielten sich seine Anhänger daran. Bis auf kleinere Vorfälle wurden keine Zusammenstöße gemeldet. Bleibt es dabei, gelänge Liberia nach Jahrzehnten der Gewalt der zweite friedliche Machtwechsel innerhalb von fünf Jahren. In Westafrika, wo es in den vergangenen Jahren zahlreiche Putsche gab, Wahlverlierer ihre Niederlagen regelmäßig vor Gericht anfechten und das Vertrauen in die Demokratie schwindet, wäre das ein großer Erfolg.

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