George Weah:Großer Fußballer, der kein großer Präsident wurde

Lesezeit: 3 min

Ein Leben wie ein Film: George Weah, Fußballer und Politiker. (Foto: Julien Mattia/Imago)

Als Torjäger gelang George Weah fast alles, doch als Staatschef Liberias hat er Erwartungen enttäuscht. Am Dienstag droht ihm die Abwahl nach nur einer Amtszeit.

Von Paul Munzinger, Kapstadt

Als der französische Fußballtrainer Arsène Wenger im Januar 2018 gefragt wurde, was er zum Werdegang seines früheren Spielers George Weah sage, da antwortete Wenger: "Das Leben dieses Typen ist wie ein Film." Weah, der Junge aus dem Ghetto, hatte da gerade die zweite große Wahl seines Lebens gewonnen. Die erste fand 1995 statt und machte Weah zum Weltfußballer. Die zweite folgte vor knapp sechs Jahren und machte Weah zum Präsidenten seines Heimatlandes Liberia. "Eine unglaubliche Geschichte", sagte Wenger.

Unglaublich, das ist Weahs Geschichte noch immer. Ein Leben wie ein Film, der natürlich "King George" heißen müsste, so riefen ihn seine Fans. Doch heute, nach Weahs erster Amtszeit als Präsident, muss man sagen: Es hat schon einen Grund, dass die meisten Filme enden, wenn ihre Helden oben angekommen sind. Was danach passiert, ist oft weniger glamourös. Bei Weah, der am 10. Oktober zur Wiederwahl antritt, ist das nicht anders.

George Manneh Weah kam 1966 in Liberias Hauptstadt Monrovia zur Welt und wuchs in einem Slum auf. Fußball lernte er auf einem schlammigen Acker, sein erster Klub hieß "Young Survivors of Claretown". 1988 entdeckte Arsène Wenger den 21-Jährigen in Kamerun und holte ihn zur AS Monaco, wo Weah am Anfang laut Wenger "ziemlich verloren" war. Doch das änderte sich schnell. Weah schoss viele Tore, zog zu Paris Saint-Germain weiter, später zum AC Mailand und nach England. Er wurde Torschützenkönig der Champions League, Afrikas und Europas Fußballer des Jahres und - als erster und bis heute einziger Afrikaner - Weltfußballer.

Kapitän und Sponsor

Doch Weah hatte, um noch mal seinen Mentor Wenger zu zitieren, auch eine Mission jenseits des Platzes. Er spielte auch dann für sein Land, wenn er nicht das Trikot der Nationalmannschaft trug, der "Lone Stars". Während Weah in Europa eine Weltkarriere machte, tobte in Liberia ein mörderischer Bürgerkrieg, der eine Viertelmillion Menschen das Leben kostete und erst 2003 endete. Weah spendete Teile seines Gehalts für humanitäre Projekte, drang auf ein Ende der Kämpfe und fungierte in der klammen Nationalmannschaft nicht nur als Kapitän, sondern auch als Sponsor, der Auslandsreisen und Fußballschuhe bezahlte. "Weah for President?", fragte die SZ schon 1996, damals noch im Scherz.

Doch Weah meinte es ernst. Den ersten Anlauf Richtung Staatsspitze unternahm er 2005, zwei Jahre nach dem Ende seiner Fußballkarriere. Er scheiterte, weil es ihm zwar nicht an Popularität fehlte, aber in den Augen vieler Liberianer an der nötigen Qualifikation. Also holte Weah seinen Schulabschluss nach und absolvierte in den USA ein Management-Studium. 2017 versuchte er es erneut, schaffte es in die Stichwahl und gewann mit 60 Prozent der Stimmen. King George war Präsident. Und versprach, dem Land zu bescheren, was ihm als Fußballer gelungen war: einen Aufstieg von ganz unten.

Liberia, 1847 von freigelassenen Sklaven aus Nordamerika und der Karibik gegründet und damit die älteste Republik des Kontinents, ist eines der ärmsten Länder der Welt. 84 von 100 Einwohnern leben von weniger als 1,25 Dollar pro Tag, im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen rangiert das Land hinter Afghanistan. Der Bürgerkrieg hat Liberia ausgezehrt, 2014 bis 2016 kam noch eine verheerende Ebola-Pandemie dazu. Mit mir als Präsident geht es aufwärts, versprach Weah. Viele Menschen glaubten ihm.

Kritik und Proteste

Doch die Euphorie nach seiner Wahl währte nur kurz. Weah wollte die Korruption bekämpfen - und weigerte sich, seine eigenen Einkünfte offenzulegen. Er wollte die Wirtschaft stärken - und konnte nicht einmal sicherstellen, dass Bargeld aus dem Bankautomaten und Strom aus der Steckdose kommt. Er wollte die Verbrechen des Bürgerkriegs aufarbeiten lassen - und ließ die Vergangenheit dann doch lieber ruhen. In der Kritik steht Weah auch wegen des Plans, ein Zehntel des Staatsgebiets an eine Firma aus Dubai zu verpachten, die dort CO₂-Emissionen senken und die so gewonnenen Einsparungen verkaufen will. Einer seiner insgesamt 19 Herausforderer bezeichnete das Vorhaben als "empörend".

Erste Proteste gegen Weah gab es nach wenigen Monaten. Und die manchmal selbstherrliche Art des Präsidenten, der unter anderem ein Krankenhaus in Monrovia nach seiner einstigen Rückennummer "14 Military Hospital" taufen ließ, trug dazu bei, dass es nicht die letzten blieben. Dass Weah wiedergewählt wird, ist alles andere als ausgemacht.

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Als Fußballer blieb George Weah eines verwehrt: Mit Liberia konnte er sich nie für eine Weltmeisterschaft qualifizieren. Den Traum des Vaters machte 2022 der Sohn wahr. Timothy Weah trat in Katar für die USA an und erzielte gegen Wales sogar ein Tor. Sein stolzer Vater jubelte auf der Tribüne mit. Er blieb ganze acht Tage als Fan in Katar, während die Menschen in Monrovia für Reis anstanden. Dass George Weah auch als Präsident Weltfußballer geblieben ist, finden viele gut in Liberia. Aber das ging den meisten dann doch zu weit.

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