Energieversorgung:Wendezeit in Leuna

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Erst Alternativen suchen, dann Entscheidungen treffen - das ist aus Sicht von Wirtschaftsminister Robert Habeck (2. v. li.) der richtige Weg aus der Abhängigkeit vom russischen Gas. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (re.) sieht das genauso. (Foto: Rolf-Peter Stoffels/IMAGO)

"Grund zur Sorge, aber kein Grund für Angst": Wirtschaftsminister Robert Habeck besucht eine Raffinerie in Sachsen-Anhalt, die kein russisches Öl mehr will.

Von Iris Mayer, Leuna

Wer gute Nachrichten sucht, muss nur durch den Haupteingang der Leunawerke treten. "2022 wird schön", heißt es da in weißer Schrift auf grauem Grund. Was für den werkseigenen Friseur- und Kosmetiksalon vergleichsweise einfach zu lösen ist, dürfte für den Rest des Chemieparks Leuna in Sachsen-Anhalt dieser Tage nicht mit einem Schild getan sein.

Russlands Krieg in der Ukraine, das deshalb angekündigte Embargo für russisches Öl, dazu der Wunsch der Bundesregierung, so schnell wie möglich auch aus russischem Erdgas auszusteigen - die Liste der Unsicherheiten ist lang. Und so bemüht sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gleich zu Beginn seines Besuchs in Sachsen-Anhalt um ermutigende Worte. "Ich will für mich sagen und für mein Ministerium, dass wir sehr darauf achten werden, dass auch die Importmöglichkeiten, die neu geschaffen werden, Ostdeutschland gleichwertig und gleichberechtigt mit im Blick haben", sagt Habeck am Morgen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte ihn da in Magdeburg empfangen.

Dass der Osten Deutschlands stark abhängig von der russischen Druschba-Pipeline ist, weiß Habeck schon von seinem Besuch in der Raffinerie Schwedt. Und so setzt er auch in Leuna auf Beruhigung: "Es gibt Grund zur Sorge, aber es gibt keinen Grund für Angst", sagt er und überreicht gemeinsam mit Haseloff einen Scheck über 184 Millionen Euro Fördermittel für Investments in die Erweiterung des Chemieparks. Mehr als 100 Firmen und 12 000 Beschäftigte sitzen hier schon, seit der Wende vor 30 Jahren sind mehr als neun Milliarden Euro investiert worden.

"Also PET-Flaschen aus Buchenholz?", fragt Habeck begeistert

Neue Millionen sollen vor allem in Ansiedlungen in den Bereichen Biochemie und Bioökonomie fließen. Die Botschaft des Tages ist klar: Hier ist nicht nur Krise, hier gibt es auch Chancen. UPM zum Beispiel, ein finnischer Hersteller, will 750 Millionen Euro investieren, um aus nachhaltiger Forstwirtschaft Kunststoffe für die chemische Industrie herzustellen. "Also PET-Flaschen aus Buchenholz?", fragt Habeck begeistert. Klingt deutlich besser als russisches Öl.

Auch beim Flüssiggashersteller Linde geht es um nachhaltige Energiegewinnung, vier Anlagen zur Wasserstoffverflüssigung gibt es in Europa, zwei davon stehen hier in Leuna. Die Kühlung des Gases auf minus 253 Grad frisst viel Energie, ohne russisches Erdgas läuft auch bei Linde in Leuna nichts. Bei einem plötzlichen Gasstopp aus Russland hätten sie hier ein gravierendes Problem. Ein überstürztes Gasembargo schließt Habeck deswegen erneut aus. Erst Alternativen suchen, dann die Entscheidungen treffen - das sei die richtige Reihenfolge.

Dies sieht auch Haseloff so und nickt. Er habe den Eindruck, dass die Sanktionen gegen Russland aktuell so eingesetzt würden, dass es nicht Gewinner einerseits und Verlierer andererseits gebe, sondern dass immer die gesamte Volkswirtschaft gesehen werde.

Leicht wird das Umsteuern auch für Total nicht

Beim Thema Öl ist man da schon einen Schritt weiter, die G7 haben ein Ölembargo angekündigt, in der EU laufen die Verhandlungen. Während der französische Ölkonzern Total für Leuna bereits angekündigt hat, bis Ende des Jahres auf russisches Öl verzichten zu wollen, hat der russische Betreiber Rosneft in Schwedt daran nach Habecks Angaben bisher kein Interesse. Leicht wird das Umsteuern aber auch für Total nicht, in Leuna werden nach Konzernangaben etwa zwölf Millionen Tonnen Rohöl jährlich zu Mineralölprodukten verarbeitet, also beispielsweise zu Benzin, Diesel oder Heizöl. Etwa 1300 Tankstellen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden von hier aus versorgt.

Weil Total aber schon früh gehandelt habe, "haben die das im Griff", sagt Habeck und spricht dann lieber über Perspektiven: "Was mich in Leuna vor allem beeindruckt hat, dass eine Dynamik da ist, die über diese Probleme der Gegenwart hinausweist." Seit seinem letzten Besuch vor einem Jahr sei viel geschehen, sagt Habeck, "schon krass". Der Ausbau der Erneuerbaren Energien sei beeindruckend, gerade wenn man bedenke, dass der Osten harte Strukturbrüche hinter sich habe. Umso bemerkenswerter sei jetzt das Tempo des Wandels.

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