Landtagswahl:Hessens FDP denkt groß

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Parteichef Christian Lindner (links) und Generalsekretärin Nicola Beer spenden dem hessischen FDP-Spitzenkandidaten René Rock Beifall. (Foto: Emmanuele Contini/imago)
  • Umfragen zufolge wird die FDP in Hessen am Sonntag als kleinste Partei ins Landesparlament einziehen.
  • Doch der liberale Spitzenkandidat René Rock zeigt sich selbstbewusst: "Ohne uns wird es keine Mehrheit für eine neue Regierung geben." Unter bestimmten Bedingungen könnte das so sein.
  • Die Verhandlungen dürften sich dann allerdings munter gestalten, denn Rock ist ein für heimische Verhältnisse ungewöhnlicher Freidemokrat.

Von Susanne Höll, Wiesbaden

Man könnte René Rock für großspurig halten. Seit bald fünf Jahren sitzt seine FDP im hessischen Parlament in der Opposition, nun wolle und werde man gern wieder mitregieren, sagt der liberale Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 28. Oktober. "Ohne uns wird es keine Mehrheit für eine neue Regierung geben", verkündet der 50-jährige Offenbacher im Wahlkampf immer wieder. Bislang stellen die Liberalen im Wiesbadener Landtag gerade einmal sechs Abgeordnete, genau so viele wie die Linkspartei.

Und wenn man den Umfragen glauben schenken mag, zieht sie am Sonntag nur als allerkleinste Fraktion in den Landtag ein. Und dann gleich wieder ins Kabinett? Ja, das ist durchaus möglich. Die FDP könnte, parlamentarischer Zwergenstatus hin oder her, tatsächlich zum Königsmacher im hessischen Koalitionspuzzle werden. Wenn es in Wiesbaden für eine Neuauflage der bisherigen schwarz-grünen Koalition nicht mehr reichen sollte, ist die FDP als Dritter im Bunde im Gespräch.

Die Verhandlungen dürften sich allerdings munter gestalten, denn René Rock ist ein für heimische Verhältnisse ungewöhnlicher Freidemokrat. Die Hessen-FDP war über Jahrzehnte hinweg ein sehr konservativer Verein, stand fest an der Seite der Landes-CDU, auch und gerade in der unappetitlichen Spendenaffäre der Christdemokraten, auch und gerade, als deren Ministerpräsident Roland Koch nach der Jahrtausendwende in den Strudel der Schwarzgeld-Affäre geriet.

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Die Zeiten haben sich freilich geändert. Rock jedenfalls hegt grundsätzliche Sympathien für die Hessen-SPD und tickt für einen Liberalen auch sonst recht eigenwillig. Er ist kein Wirtschafts- oder Finanzexperte, seine große politische Leidenschaft gilt der Bildung, insbesondere der von kleinen Kindern. Der Vater einer Tochter ist durchs Land gereist, hat überall Kitas besucht und sich über die Wünsche und Nöte der Erzieher und Eltern kundig gemacht.

Zugleich aber reklamierte Rock bereits im Sommer, noch bevor der Wahlkampf wirklich begonnen hatte, im Fall einer Kabinettsbeteiligung den Posten des Wirtschaftsministers für die FDP. Für seine Partei, wohlgemerkt, nicht für sich selbst. Durchaus denkbar also, dass er Fraktionsvorsitzender bleibt, falls die Liberalen es denn tatsächlich in eine Jamaika-Koalition schaffen sollten.

Aus seiner Vorliebe für ein sozial-liberales Bündnis macht Rock schon länger keinen Hehl - zum Leidwesen mancher Parteikollegen, die traditioneller als er gestimmt sind. Vielleicht haben die fünf gemeinsamen Jahre auf den Oppositionsbänken neue Bande zwischen den Roten und den Gelben geknüpft. Das Verhältnis Rocks zu Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) war längere Zeit spannungsreich, inzwischen geht man glimpflicher miteinander um.

Schwieriger als zur CDU ist das Verhältnis zu den Grünen

Seit Demoskopen die hessischen Liberalen zwischenzeitlich einmal bei nur sechs Prozent sahen, sprach der in Seligenstadt aufgewachsene Mann mit dem grau-schwarz-melierten Mehrtagebart deutlich hörbarer von den Gemeinsamkeiten seiner Partei mit der Union. Bouffiers Leute nahmen das mit Interesse zur Kenntnis. In der FDP wurde auf Nachfragen versichert, man habe stets gesagt, dass man, so die Bedingungen stimmten, mit einem roten oder schwarzen Ministerpräsidenten kooperieren könne. Das hat man als Zuhörer allerdings etwas anders in Erinnerung.

Mit der CDU werden sich die Rock-Liberalen trotz mancher persönlicher und politischer Narben aus der jüngsten Oppositionszeit grundsätzlich arrangieren können. Die Beziehung zu den Grünen ist deutlich schwieriger. In der Energie- und Verkehrspolitik wird es Konflikte geben, insbesondere um den weiteren Ausbau der Windkraft. In der Asylpolitik fordert die FDP, nicht anders als SPD und Union im Bund, Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien als sichere Herkunftsstaaten anzuerkennen. Den Widerstand der Grünen, auch der hessischen, hat Rock im Wahlkampf immer wieder gerügt.

Auch als der mit Abstand kleinste Partner in einem Dreierbündnis würde die FDP von Koalitionsverhandlungen zufriedenstellende Zugeständnisse erwarten. Der Ton in einer solchen Koalition dürfte zudem schärfer werden. Ein Wortwechsel auf einem Wahlkampfpodium unlängst in Wiesbaden lässt erahnen, wie konfliktreich es zwischen Gelb und Grün zugehen könnte.

Rock sollte seine Wunschkoalition beschreiben. Seine Antwort klang, in Anbetracht der Bedeutung seiner Partei, etwas vermessen. "Ich wünsche mir ein starkes bürgerliches Bündnis mit ein wenig grüner Beimischung." Tarek Al-Wazir, Spitzenkandidat der Grünen, die ein zweistelliges Ergebnis erwarten können, parierte die Herablassung im Handumdrehen: "Wir sind nicht die Kräuter auf dem Gericht. Wir sind das Essen."

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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