Magdeburg:AfD-Landeschef Reichardt Spitzenkandidat für Bundestagswahl

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Der Landtagsabgeordnete Oliver Kirchner (AfD). (Foto: Ronny Hartmann/dpa/Archivbild)

Die AfD Sachsen-Anhalt geht mit ihrem Landeschef Martin Reichardt, ihrem Fraktionschef Oliver Kirchner und weiteren prominenten "Flügel"-Anhängern auf den...

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Magdeburg (dpa/sa) - Die AfD Sachsen-Anhalt geht mit ihrem Landeschef Martin Reichardt, ihrem Fraktionschef Oliver Kirchner und weiteren prominenten „Flügel“-Anhängern auf den aussichtsreichen Listenplätzen in die anstehenden Wahlkämpfe. Bei einem Parteitag unter hohen Corona-Auflagen wählten am Wochenende Hunderte AfD-Mitglieder Bewerberlisten für die Landtagswahl kommenden Juni und die Bundestagswahl drei Monate später.

Dabei gelang es dem Vorstand, die eigenen Favoriten durchzusetzen. Eine Beinahe-Überraschung gab es am Sonntag nur beim Listenplatz 4 für den Bundestag: Da trat der Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann als Parteiloser gegen AfD-Generalsekretär Andreas Mrosek an. Der 60-jährige Magdeburger war zuletzt wegen Antisemitismusvorwürfen und unregelmäßig gezahlter Mandatsträgerabgaben rechtskräftig aus der AfD ausgeschlossen worden und ist auch nicht mehr Mitglied der Bundestags-Fraktion.

Der Ausschluss war zunächst von der Landes-AfD vorangetrieben worden. Nach einer Neuwahl des Vorstands im September wechselten dort die Machtverhältnisse, das Verfahren blieb nur bestehen, weil der Bundesvorstand um Jörg Meuthen daran festhielt. Pasemann unterlag Mrosek im Kampf um Platz 4, er tritt aber auf jeden Fall als Direktkandidat der Partei in Magdeburg an.

AfD-Chef Reichardt musste bei der Wahl des Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gegen zwei Mitbewerber antreten, setzte sich aber mit 65 Prozent Zustimmung im ersten Versuch durch. Einer seiner Konkurrenten war der 70 Jahre alte Landtagsabgeordnete Robert Farle, der 23 Prozent der knapp 350 abgegebenen Stimmen bekam.

Farle sagte, er wisse, dass er keine Chance auf einen Sieg habe, wolle aber vor einer Spaltung der Partei warnen. Er kritisierte, es habe Treffen in Hinterzimmern gegeben, um die Kandidatenlisten vorab zu bestimmen. Bereits am Samstag hatten mehrere AfD-Mitglieder kritisiert, dass für die Kandidatenkür vorab geheime Absprachen in Hinterzimmern getroffen wurden, die wenig demokratisch seien.

Landeschef Reichardt wies die Vorwürfe zurück. Es handele sich um Vorschläge, von denen jederzeit abgewichen werden könne. Er verwies in seiner Rede auf seine bisherige Arbeit als sozialpolitischer Sprecher der AfD im Bundestag. Der 51 Jahre alte gebürtige Niedersachse sprach davon, dass das „politische Establishment“ seine „undemokratische Fratze“ mehrfach gezeigt habe. Die AfD sei die einzige Partei, die konstruktive Politik mache.

Auf den zweiten Platz wählten die Delegierten den Landeschef der Jungen Alternative, Jan Wenzel Schmidt, der seit 2016 bereits im Magdeburger Landtag sitzt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die Nachwuchsorganisation als rechtsextremen Verdachtsfall ein.

Der offiziell aufgelöste „Flügel“ um den Thüringer Landeschef Björn Höcke ist aus Sicht der Behörde eine „erwiesen extremistische Bestrebung“. Die Strömung wird mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet. Das Bundesamt nennt neben Höcke auch Hans-Thomas Tillschneider als führenden „Flügel“-Kopf. Der 42-jährige Islamwissenschaftler aus dem Saalekreis schaffte es auf den 3. Listenplatz für die Landtagswahl.

Er nannte die Landesregierung bei einer Rede „Volksverräter an der Macht“ und sprach davon, dass er mit der AfD im Landtag ein Bollwerk gegen Politiker wie Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und Grünen-Landeschef Sebastian Striegel sein wolle. „Gegen die Feinde unseres Volkes, die eine internationale Agenda gegen uns durchsetzen.“ Wenn die AfD so weitermache, werde sie irgendwann selbst „die Zügel der Macht in den Händen halten“.

Auch der 54 Jahre alte Oliver Kirchner wird dem AfD-„Flügel“ zugerechnet. Der Fraktionschef wurde am Samstag mit 87 Prozent Zustimmung und ohne Konkurrenz zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gewählt. Er gab erneut als Ziel aus, dass seine Partei bei der nächsten Wahl stärkste Kraft wird. Bei der Landtagswahl 2016 hatte die AfD aus dem Stand fast 25 Prozent der Stimmen geholt und war als zweitstärkste Kraft hinter der CDU von Ministerpräsident Reiner Haseloff in den Landtag eingezogen.

Die aktuellen Corona-Regeln erlauben den Parteien, Wahlaufstellungen zu veranstalten. Andere Parteien hatten ihre Listenwahlen dennoch wegen der Corona-Lage verschoben, die CDU bereits zwei Mal. Kontrolleure des Landesverwaltungsamts überwachten die Einhaltung der strengen Hygieneregeln, nachdem sich Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) angesichts des Gesundheitsrisikos geweigert hatte, das zuständige Ordnungsamt der Stadt in die Halle zu schicken.

In Sachsen-Anhalt steigen die nachgewiesenen Corona-Fälle und die Zahl der Intensivpatienten mit Covid-19 seit der Verschärfung der Maßnahmen weiter deutlich an. Mitte Dezember wurden die Einschränkungen noch einmal erweitert, auch an Weihnachten gelten strenge Kontaktregeln. Die AfD hält die Maßnahmen allerdings für überzogen und klagt dagegen beim Landesverfassungsgericht. Ein Eil-Antrag gegen den Teil-Lockdown hatte jedoch keinen Erfolg.

Auch am Wochenende waren trotz der regelmäßigen Ermahnungen vom Podium und den Kontrolleuren immer wieder AfD-Mitglieder ohne korrekt aufgesetzte Maske unterwegs und es bildeten sich Grüppchen. Die Behörde zeigte sich dennoch zufrieden. „Der Veranstalter ist doll bemüht, alles ordnungsgemäß über die Bühne zu bringen“, sagte der Abteilungsleiter für Gesundheit im Landesverwaltungsamt, Ragner Wenzel, am Sonntag. Hinweise der Kontrolleure würden umgesetzt.

Nach den zwei langen Wahlveranstaltungen ist aber immer noch nicht klar, wen die AfD für die Landtagswahl ins Rennen schickt: Am Samstag wurden zunächst nur fünf Plätze besetzt, 40 sollen es werden. Für Verzögerung sorgte dabei auch eine anonyme Bombendrohung. Die Halle wurde für mehr als zwei Stunden gesperrt, Polizisten durchsuchten mit einem Sprengstoff-Suchhund das Gelände und gaben es danach ohne verdächtige Funde wieder frei. Eine heiße Spur zu den Drohenden gab es am Sonntag noch nicht, wie eine Polizeisprecherin sagte. Für die Wahl der weiteren Listenplätze will die AfD am 23. und 24. Januar erneut in den Magdeburger Messehallen zusammenkommen.

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