Kiel:AfD-Landeschefin bestreitet Nähe zu „Reichsbürgern“

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Kiel (dpa/lno) - Die schleswig-holsteinische AfD-Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein ist wegen Medienberichten über ihre angebliche Nähe zu den "Reichsbürgern" politisch unter Druck geraten. SPD und Grüne forderten von Sayn-Wittgenstein, die auch Landtagsabgeordnete ist, dringend Aufklärung über ihre politische Vergangenheit. Die CDU bezeichnete es als bloße Fassade, wenn sich die AfD als bürgerliche Protestpartei im Landtag präsentiere. Nach Ansicht des SSW zeigt sich immer wieder, wie dünn der blaue Lack der AfD sei. Wer daran kratze, blicke nicht selten in braune Abgründe.

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Kiel (dpa/lno) - Die schleswig-holsteinische AfD-Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein ist wegen Medienberichten über ihre angebliche Nähe zu den „Reichsbürgern“ politisch unter Druck geraten. SPD und Grüne forderten von Sayn-Wittgenstein, die auch Landtagsabgeordnete ist, dringend Aufklärung über ihre politische Vergangenheit. Die CDU bezeichnete es als bloße Fassade, wenn sich die AfD als bürgerliche Protestpartei im Landtag präsentiere. Nach Ansicht des SSW zeigt sich immer wieder, wie dünn der blaue Lack der AfD sei. Wer daran kratze, blicke nicht selten in braune Abgründe.

Sayn-Wittgenstein sagte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag, sie kenne keine „Reichbürger“. „Ich glaube, dass damit gezielt wider besseres Wissen eine Nähe hergestellt werden soll, die in keinster Weise gerechtfertigt ist.“ Sie stehe der „Reichbürger“-Bewegung „absolut“ fern: „Das ist doch recht kraus, was die bringen - oder?“

„Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik sowie deren Behörden und Gesetze nicht an, vielmehr besteht nach ihrer Auffassung das Deutsche Reich weiter. Die Bewegung wird bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet. Im Oktober war ein sogenannter Reichsbürger in Nürnberg wegen tödlicher Schüsse auf einen Polizisten zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden.

Die „Lübecker Nachrichten“ und die „Kieler Nachrichten“ hatten berichtet, Sayn-Wittgenstein sei 2009 Gründungsvorstand des Vereins „Die Deutschen“ gewesen, dessen 2009 gestorbener Gründer Klaus Sojka zeitweise Landesvorsitzender der rechtsextremen Partei DVU in Schleswig-Holstein gewesen war. Im Juli 2009 stellte der Jurist Sojka laut „Kieler Nachrichten“ für die Vereinigung „Die Deutschen“ einen „Antrag auf Feststellung des Nichtbestehens der BRD“ an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Das für Streitigkeiten zwischen Staaten zuständige Gericht möge feststellen, schrieb Sojka, dass „die BRD (Bundesrepublik Deutschland) rechtlich nicht existiert“.

Auf die Frage, wie sie Gründungsvorstand des Vereins „Die Deutschen“ geworden sei, antwortete Sayn-Wittgenstein am Donnerstag: „Da hatte mich jemand angesprochen - ich will da keine Namen nennen.“ Es sei aber nicht Sojka gewesen. „Den kannte ich nicht persönlich; er war mir lediglich wegen seines Engagements für den Tierschutz bekannt.“ Es sei damals auch um ungeklärte Eigentumsfragen von Vertriebenen gegangen.

Die 63 Jahre alte Rechtsanwältin verwies auf die Bodenreform in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone nach dem Krieg unter dem Motto „Junkerland in Bauernhand“. „Da habe ich gesagt, „Ja, das interessiert mich schon“ - es ist aber nie zur Ausführung gekommen. Sie glaube nicht, dass der Verein „Die Deutschen „was mit Reichsbürgern zu tun hat“.

Auch nach der deutschen Wiedervereinigung von 1990 betrachtet Sayn-Wittgenstein die Frage der Entschädigung von Vertriebenen aus den früheren deutschen Ostgebieten als offen - aber nicht als Problem mit Polen. „Ich denke, dass das ein innerdeutsches Problem geblieben ist.“ Denn es hätten ja - wenn es so bliebe - dann nur die Vertriebenen für den Zweiten Weltkrieg bezahlt. „Ich habe in den Unterlagen meiner verstorbenen Mutter Schreiben aus Bonner Regierungszeiten aus den 1990er Jahren gefunden - da legen Sie mich nicht fest ob das vom Finanzministerium war -, wo ausdrücklich bestätigt wurde, dass diese Frage noch offen ist, dass es aber derzeit nicht opportun sei, diese Frage zu regeln.“

Die AfD-Politikerin verwies auf das Lastenausgleichsgesetz von 1952. Es habe nur entgangene Nutzungen von Vertriebenen finanziell entschädigt, aber keinen Verzicht auf Rückgabe von zurückgelassenem Vermögen bedeutet.

Zu Zweifeln aus anderen Parteien, ob sie auf dem Boden des Grundgesetzes stehe, sagte die AfD-Politikerin: „Wenn ich nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stünde, könnte ich nicht Abgeordnete sein.“

Als überraschende Kandidatin für den Bundesvorsitz der AfD am vergangenen Wochenende in Hannover hatte Sayn-Wittgenstein Schlagzeilen gemacht. Sie scheiterte nach einer von Beobachtern als rechtsnational bewerteten Rede nur knapp. Sie sei von anderen Gästen ihres Landesverbandes Schleswig-Holstein während des Parteitags zur Kandidatur überredet worden, sagte Sayn-Wittgenstein. Sie war dort nur Gast und nicht Delegierte.

Auf die Frage, wer sie zum Bundesparteitag eingeladen habe, sagte sie, dies sei nach der AfD-Satzung nicht notwendig. „Ich bin ja Landesvorsitzende - es gibt da Gastkarten und ich hatte eine Gastkarte. Ich bin aus eigenem Antrieb nach Hannover gefahren.“

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