Minister:Ostsee-Sturmflut hat Ausmaß gesamtstaatlicher Tragweite

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Beschädigte Schiffe liegen im Hafen nach einer Sturmflut auf einem Anleger. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Die Sturmflut-Schäden an Schleswig-Holsteins Ostseeküste waren immens. Land und Kommunen gehen von mindestens 200 Millionen Euro aus. Ministerpräsident Daniel Günther richtet einen eindringlichen Appell an den Bund. Unterstützung kommt von der Opposition.

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Kiel (dpa/lno) - Nach der schweren Ostsee-Sturmflut wollen Regierung und Opposition den Küstenschutz in Schleswig-Holstein verbessern. Schwarz-Grün plant nach Schäden von schätzungsweise 200 Millionen Euro ein Sondervermögen „Wiederaufbau Flutkatastrophe 2023“. „Diese Sturmflut war eine schwere Naturkatastrophe“, sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Freitag in einer Regierungserklärung im Landtag.

Günther sprach von einer Jahrhundert-Sturmflut in der Nacht zum 21. Oktober und appellierte an den Bund: „Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich an der Bewältigung der Folgen dieser Naturkatastrophe finanziell beteiligt und außerdem Geld beisteuert, um den Küstenschutz an der Ostsee langfristig zu stärken.“ Die Sturmflut habe ein Ausmaß gesamtstaatlicher Tragweite erreicht. Die derzeit vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel für den Küstenschutz an Nord- und Ostsee genügten den steigenden Herausforderungen in Folge des Klimawandels nicht mehr. Er forderte eine schnelle Reaktion aus Berlin.

Entlang der Küste habe die Sturmflut ein Bild der Zerstörung angerichtet, sagte Günther. Auf Fehmarn sei eine Frau ums Leben gekommen. „Die Schäden sind immens: Deiche und Hafenanlagen sind beschädigt oder zerstört, Wohnhäuser, Campingplätze, Restaurants und Hotels verwüstet.“ Ganze Promenaden, Straßen und Strände seien weggespült worden. „Hunderte Boote sind gesunken oder wurden erheblich beschädigt.“

„Wir wissen inzwischen, dass allein der Wiederaufbau der kommunalen Infrastruktur, Daseinsvorsorge und der Regionaldeiche einen dreistelligen Millionenbetrag kosten und Monate dauern wird“, sagte Günther. Die Finanzierung des Wiederaufbaus mit dem Fonds solle zu gleichen Teilen von Land und Kommunen erfolgen. „In den kommenden Wochen werden wir aber wohl sehen, dass der tatsächliche Bedarf noch höher sein wird.“

„Wir werden Überbrückungshilfen leisten, treffen eine Härtefall-Regelung, sorgen für Steuererleichterung“, versprach Günther. Als Überbrückungshilfe sind Darlehen von bis zu 50 000 Euro geplant. In Härtefällen sollen Teile in einen Zuschuss umgewandelt werden. Günther sprach von großer Hilfsbereitschaft und dankte den Helfern. Das Land stehe erst am Anfang der Sturm-Saison. „Jederzeit müssen wir mit weiteren Sturmfluten rechnen.“ Deiche müssten verstärkt werden. „Die Schäden dieser Sturmflut werden in vielen Orten noch längere Zeit sichtbar sein.“

Die Opposition sicherte Unterstützung beim Aufbaufonds zu. SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller hält den Begriff Jahrhundertflut für falsch. „Wir stehen vor einem Jahrhundert der Fluten. Und darauf müssen wir uns vorbereiten.“ Nur 30 Zentimeter mehr und die Deiche wären im Oktober gebrochen. „Wir wissen schon jetzt, dass der Meeresspiegel um 50 Zentimeter steigt.“ Diese Sturmflut müsse eine Zäsur sein. Es sei deshalb richtig, dass das Land Verantwortung über Regionaldeiche übernehmen wolle. „Wir können diese Investitionen stemmen und die Flut hat klargemacht, dass wir es auch tun müssen.“

Unklar ist noch, wie das Land die Mittel aufbringen will. CDU-Fraktionschef Tobias Koch schlug angesichts der Naturkatastrophe einen Notkredit vor. Er kündigte Gespräche mit allen Fraktionen an, um noch im November im Landtag eine Lösung zu präsentieren. FDP-Fraktionschef Christopher Vogt verwies darauf, dass laufende Notkredite nicht ausgeschöpft seien, Mittel umgeschichtet werden könnten. Er erinnerte an Lauenburg an der Elbe und mahnte, die Menschen warteten dort nach zehn Jahren immer noch auf zugesagte Hilfe.

Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter nannte die Sturmflut ein Extremwetter-Ereignis. Vor dem Hintergrund, dass er erst 33 Jahre alt sei, habe er bereits erstaunlich viele Jahrhundert-Wetterereignisse erlebt. SSW-Fraktionschef Lars Harms zeigte Unverständnis über das Verhalten der Bundesregierung. Diese schweige nach den Geschehnissen an der Ostsee. „Das ist auch ein Schlag ins Gesicht der Menschen in unserem Land.“

© dpa-infocom, dpa:231103-99-808401/3

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