Künstliche Intelligenz:Keine Sorge, der Chef meint es nur gut

Lesezeit: 2 min

In der Pandemie haben persönliche Begegnungen in der Arbeit stark abgenommen. Für Arbeitgeber ist es schwierig, einen Eindruck vom Gemütszustand ihrer Mitarbeiter zu bekommen. (Foto: Maskot/imago images)

Manche Arbeitgeber lassen Algorithmen die E-Mails, Kalendereinträge und Chats der Mitarbeiter nach Warnsignalen für Burn-out durchsuchen.

Von Kathrin Werner

Früher gab es eine goldene Managementregel: Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis. In Zeiten der Digitalisierung sind es statt der Arbeitskreise nun die Algorithmen, die ratlosen Führungskräften helfen sollen, wenn es schwierig wird.

In Nordamerika gibt es inzwischen Unternehmen, die per Algorithmus messen, wie hoch die Gefahr ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Burn-out bekommen. Start-ups wie Erudit aus Miami und Autumn aus Toronto verkaufen künstliche Intelligenz, die E-Mails, Einträge in digitale Kalender und Nachrichten in Chatprogrammen wie Teams oder Slack und zum Teil sogar Videotelefonate durchforstet. Der Algorithmus analysiert Stichworte oder verdächtige Sätze, die ein Hinweis auf Burn-out sein könnten, und auch die Zeichensetzung und Grammatik. Das Start-up Uplevel aus Seattle misst außerdem, wenn Programmierer weniger effizient arbeiten, etwa weil sie, statt ihre eigentliche Arbeit zu erledigen, viel Zeit mit E-Mails und Chats verschwenden - und sieht das als Vorzeichen für Burn-out.

Das Gefühl, ausgebrannt zu sein, kennen viele Menschen, besonders seit der Pandemie, in der der Stress vielerorts gestiegen ist und die angenehmen Seiten der Arbeit, etwa das entspannte Kaffeetrinken mit den Kollegen, wegfielen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Burn-out inzwischen anerkannt, zwar nicht als Krankheit, aber als "Phänomen". Burn-out sei "chronischer Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet wird". Symptome: Erschöpfung, ein gewisser Zynismus, der zu geistiger Distanz oder allgemein negativer Haltung zum Job führt, und verringertes berufliches Leistungsvermögen.

Wenn ein Team häufig den Begriff "gestresst" verwendet, schlägt das System Alarm

All das sind Dinge, die Arbeitgeber lieber vermeiden möchten, oft wissen sie aber nicht genau, wie sie das anstellen sollen. Der erste Schritt jedenfalls ist, überhaupt zu merken, wenn Mitarbeitende ausgebrannt sind oder auszubrennen drohen. Denn oft erzählen diese ihren Vorgesetzten nicht oder nur verklausuliert davon. Die künstliche Intelligenz merkt aber, wenn sie häufig Begriffe wie "gestresst" verwenden, wütende Nachrichten in Großbuchstaben verschicken oder davon sprechen, sich nach neuen Jobs umzuschauen. Sie schickt den Managern dann eine Warnung.

"In diesen Covid-Zeiten ist die Belegschaft nicht mehr gut miteinander vernetzt", schreibt David Olson von der Digitalberatung Globant auf der Website von Erudit. "Erudit macht es möglich, den Gefühlszustand der Mitarbeiter zu kennen und zu verstehen." Künstliche Intelligenz könne Burn-out-Gefahr zuverlässig messen, in etwa genauso wie Psychologen, die allerdings teuer seien, schrieb das Start-up in einem aktuellen Report. "Führungskräften, die an genauen und zeitnahen psychologischen Messungen ihrer gesamten Organisation interessiert sind, bietet künstliche Intelligenz eine schnellere, potenziell kostengünstigere und bessere Lösung."

Knackpunkt des Ganzen: der Datenschutz. Die meisten Mitarbeiter wissen, dass ihre Arbeitgeber Zugriff auf ihre E-Mails und Kalender haben, gehen aber nicht davon aus, dass es dabei darum geht, eine künstliche Intelligenz ihre mentale Gesundheit messen zu lassen. Die jungen Unternehmen geben an, die Daten würden anonymisiert - übermittelt wird die Burn-out-Gefahr von Teams, nicht des einzelnen Mitarbeiters - und seien sicher. Datenschützer bezweifeln das.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: