Haushaltskrise:"Einfach 60 Milliarden mit dem Rasenmäher irgendwo einzusparen, dafür ist die SPD nicht gewählt worden"

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Spricht sich gegen Sozialkürzungen im Haushalt aus: SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (Foto: Moritz Frankenberg/dpa)

SPD-Generalsekretär Kühnert erteilt umfangreichen Kürzungen im Etat eine Absage. Wirtschaftsminister Habeck kritisiert die von der FDP stets hochgehaltene Schuldenbremse als "statisch" und "wenig intelligent".

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hält die Schuldenbremse in der aktuellen Form für nicht mehr zeitgemäß. Sie sei "in einer anderen Zeit" gebaut worden: "Als wir immer billiges Gas aus Russland hatten, als China immer unsere Werkbank war oder unser Abnahmemarkt, als die Amerikaner immer verlässliche, treue Freunde waren und uns die militärische Last abgenommen haben, weil es keinen Krieg in Europa gab", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Montagabend in den ARD-"Tagesthemen".

Die 2009 beschlossene Schuldenbremse sei "sehr statisch" und unterscheide nicht zwischen Geldern, die im Laufe des Jahres ausgegeben werden, und Investitionen in die Zukunft, die sich erst nach Jahren rechnen. Das scheine ihm wenig sinnvoll. "Ich persönlich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Art, wie die deutsche Schuldenbremse konstruiert ist, für zu wenig intelligent halte", sagte der Grünen-Politiker.

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Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei die Verunsicherung groß, betonte Habeck. "Das betrifft nicht irgendwelche scheinbar abstrusen Klimaschutzprojekte, sondern alle werden jetzt schon davon berührt sein. Die deutsche Volkswirtschaft wird durch dieses Urteil schrumpfen, weniger stark wachsen als vorhergesehen. Konjunkturgeld wird dem Land entzogen werden".

Kühnert will Haushaltsnotlage erklären lassen

Die FDP gehört zu den Befürwortern der Schuldenbremse, in Teilen von Grünen und SPD ist sie hingegen umstritten. Die im Grundgesetz verankerte Regelung gibt dem Bund nur einen geringen Spielraum zur Aufnahme von Krediten. Ausnahmen sind bei Naturkatastrophen und in außergewöhnlichen Notsituationen zulässig, wie zuletzt wegen der Corona-Pandemie. Dazu muss die Regierung eine sogenannte Haushaltsnotlage erklären.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert plädiert genau für diesen Schritt. "Ich kann nur für die SPD sagen, einfach 60 Milliarden mit dem Rasenmäher irgendwo einzusparen im Haushalt, Sozialabbau zu machen, die Transformation unserer Gesellschaft wieder zurückzunehmen, Unternehmen nicht mehr im internationalen Wettbewerb zu unterstützen und damit Arbeitsplätze in Deutschland zu verlieren, das ist etwas, dafür ist die SPD nicht gewählt worden 2021, und dafür werden wir niemals die Hand heben im Deutschen Bundestag", sagte Kühnert.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche eine Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Sie waren zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, sollten aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Nun stehen die Milliarden nicht zur Verfügung.

CDU-Haushälter sichern konstruktive Mitarbeit zu

Offen ist, inwiefern das Urteil darüber hinaus Folgen für den Umgang mit schuldenfinanzierten Sondervermögen in Bund und Ländern haben könnte. Am Montag verfügte das Bundesfinanzministerium daher eine Haushaltssperre auf nahezu den gesamten Bundesetat. "Bestehende Verbindlichkeiten werden weiter eingehalten, es dürfen nur keine neuen eingegangen werden", hieß es aus dem Ministerium. An diesem Dienstag hört der Haushaltsausschuss des Bundestages Experten zu den Folgen des Urteils an.

Aus der Union, deren Vertreter die Ampelkoalition in den vergangenen Tagen wegen ihrer Haushaltspolitik heftig attackiert hatten, kommen inzwischen auch versöhnliche Töne. Man müsse nun in Ruhe schauen, wie man den Etat für 2024 hinbekomme, sagt etwa CDU-Haushaltsexperte Christian Haase. Er sichert der Regierung eine konstruktive Mitarbeit zu. Im Klima- und Transformationsfonds gebe es sehr wichtige Projekte, die auch über die Legislaturperiode hinaus fortgesetzt werden müssten. "Denn wir alle wissen, Investitionen in die Wirtschaft gibt es nur bei stabilen Rahmenbedingungen", betonte der CDU-Politiker.

Zugleich stellte Haase wichtige Projekte der Ampelkoalition infrage. Dabei nannte er die Kindergrundsicherung, das Bürgergeld und das Heizungsgesetz. Die Union wolle keine Sozialleistungen massiv kürzen, hinterfrage aber den zusätzlichen Aufwuchs, sagte Haase.

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