Kritik an Facebook-Kampagne:Heterosexuelle Fans der Schwulen-Ehe

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Die Journalistin Karlee Johnson interpretierte diese Haltung der HRC in der Studenten-Zeitung Daily Sundial als ein ablehnendes "Wir kommen zuerst, ihr stellt euch hinten an." Der schwule Aktivist Tommi Avicolli Mecca schreibt in seinem Blog schlicht: "HRC doesn't support me". Auch wenn er schwul sei und sich die HRC als Lobby-Gruppe offiziell für seine Rechte einsetze, wolle er an einem Begriff von Gleichheit festhalten, der nicht nur sexuelle Gleichbehandlung, sondern auch soziale Gerechtigkeit bedeute.

Spätestens seit die HRC ausgerechnet den Investmentbankern von Goldman Sachs im Februar 2012 den Workplace Equality Innovation Award verliehen hatte, habe sich der HRC von seiner Idee von Gleichheit zu sehr entfernt. Wie könne die Bank, die für die Verarmung vieler Amerikaner stehe, als ein Symbol der Gleichheit gefeiert werden?

Aids und Obdachlosigkeit ignoriert

Doch ist die Kampagne des HRC gleich schlecht, nur weil sie vielen nicht weit genug geht? Nein, aber sie habe Verdrängungs-Potenzial, sagt der Journalist Richard Lawson. In The Atlantic Wire schreibt er, dass der Kampf für die Gleichstellung der Ehe eine ungeheure vereinende Kraft habe, die die Position von Schwulen und Lesben in der amerikanischen Gesellschaft gestärkt habe. Doch auch er gibt zu bedenken, dass die Kampagne immer nur eine Kampagne für die weiße Mittelschicht gewesen sei. Die Probleme und Bedürfnisse der nicht-weißen und sozial schlechter gestellten Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen seien dadurch an den Rand gedrängt worden. Probleme wie Aids und Obdachlosigkeit, unter denen überproportional viele jugendliche Homosexuelle litten, seien durch die Legalisierung der Ehe nicht zu lösen.

Gegen die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe ist keiner der Kritiker. Lediglich gegen die ungeprüfte Einhelligkeit, mit der sich auf Facebook durch die roten Profilbilder mit der Kampagnen-Arbeit einer bestimmten Lobby-Gruppe solidarisiert wird.

Die Soziologie-Dozentin Laurie Essig schreibt in der Fachzeitschrift Psychology-Today vom Druck des "group thinking". Gerade ihre heterosexuellen Facebook-Freunde, die in festen Partnerschaften lebten, seien es, die begeistert das rote Symbol für sich entdeckten. Dass sie als lesbische, alleinerziehende Mutter die Gleichstellung der Homo-Ehe nicht zu ihren politischen Prioritäten zähle, könnten diese heterosexuellen Fans der Schwulenehe nicht verstehen.

Natürlich sei sie dafür, dass alle Menschen heiraten können, so sie es denn wünschen. Doch sie wolle nicht gezwungen werden, zu heiraten, nur um zum Beispiel ein Anrecht zu haben, ihre Nächsten und Liebsten im Krankenhaus besuchen zu können.

Wer den Hashtag "equalmarriage" bei Twitter eingibt, findet nicht mehr nur begeisterte Solidaritätsbekundungen in rot-rosa. Sondern zum Beispiel auch den lakonischen Kommentar "Slacktivism". Eine Wortschöpfung, die dem antriebslosen "Slacker" (Schluffi) ein wenig "activism" erlaubt. Erfunden wurde das Wort unter anderem für die allwöchentliche Veränderung des Facebook-Profilbildes für eine jeweils wechselnde politische Agenda.

Beyoncé und Takei sind inzwischen zu ehrlicher Selbstdarstellung zurückgekehrt. Auf ihrem Profilbild prangt kein Gleichheitszeichen mehr, sondern das eigene Konterfei.

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