Krieg um Syrien:Gefährliche Lücken

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Warnzeichen in einer Entsorgungseinrichtung der GEKA (Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten) (Foto: AFP)
  • Um einen unmittelbar bevorstehenden Angriff der USA abzuwenden, war Assad 2013 auf Vermittlung Russlands der Chemiewaffen-Konvention beigetreten.
  • Schon im April 2014 meldete die Organisation zum Verbot chemischer Waffen (OPCW) erste Zweifel an, ob die Angaben Syriens vollständig seien.
  • Seither verlangt die Organisation bisher vergeblich die Aufklärung von Lücken und Unstimmigkeiten.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat angekündigt, eventuelle Militärschläge in Syrien würden sich nicht gegen die Verbündeten der Regierung in Damaskus richten. Das war ein Versuch, Iran und vor allem Russland rückzuversichern, dass sie nicht im Visier sind - es ist das erkennbare Bemühen, eine Eskalation zu vermeiden. Daran habe Frankreich "kein Interesse", sagte Macron, der kühl und kontrolliert kommuniziert, anders als sein US-Kollege Donald Trump.

Macron sprach damit aber auch aus, was unter westlichen Geheimdiensten Konsens ist: Das syrische Regime von Präsident Baschar al-Assad hat, anders als 2013 zugesagt, weder seine kompletten Bestände an Kampfstoffen vernichtet noch sein Chemiewaffen-Programm vollständig aufgegeben. Damals war Assad auf Vermittlung Russlands der Chemiewaffen-Konvention beigetreten, um einen unmittelbar bevorstehenden Angriff der USA abzuwenden. Bei einem Sarin-Einsatz in von Rebellen kontrollierten Vororten von Damaskus waren zuvor am 21. August 2013 Hunderte Menschen getötet worden.

Schon im April 2014 meldete die Organisation zum Verbot chemischer Waffen (OPCW) erste Zweifel an, ob Syriens Deklaration der Produktionsanlagen für Kampfstoffe, der Vorräte der Substanzen und ihrer Vorstoffe sowie die für Chemiewaffen geeigneten Munitionen komplett sei. Bis heute hält die OPCW die Angaben Syriens für unvollständig und verlangt bisher vergeblich die Aufklärung von Lücken und Unstimmigkeiten. Im Jahr 2016 räumte Damaskus ein, dass manche Einrichtungen des Scientific Studies and Research Centre (SSRC) Teil des Chemiewaffenprogramms gewesen seien, aber auch dies spiegelt nach Einschätzung der OPCW noch "nicht den vollen Umfang und die Natur der meldepflichtigen Aktivitäten" wider.

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Das meldet das russische Militär. Es ist ein maßgeblicher Erfolg für Syriens Machthaber und könnte seinen endgültigen Sieg gegen die Rebellen bedeuten.

Das Scientific Studies and Research Centre, das Einrichtungen bei Damaskus unterhält, aber auch in anderen Landesteilen, gilt als Kern des syrischen Chemiewaffen-Programms und soll auch bei der Entwicklung von Raketen und anderen nicht konventionellen Waffen eine herausragende Rolle spielen. Mehrere Luftangriffe auf Ziele in Syrien, die Israel zugerechnet werden, sollen Anlagen der SSRC gegolten haben. Nach Einschätzung westlicher Geheimdienste verfügt Syrien nach wie vor über Labore zur Entwicklung von Kampfstoffen, aber auch Produktionsanlagen für Kampfstoffe, wie das Nervengift Sarin.

Bestätigung durch die Analyse von Boden- und Gewebeproben

Zuletzt waren bei einem Angriff in dem Ort Khan Scheikhun in der Provinz Idlib am 4. April 2017 mehr als 70 Menschen nachweislich durch Sarin getötet worden. Eine gemeinsame Untersuchungskommission der OPCW und der Vereinten Nationen bestätigte dies durch die Analyse von Boden- und Gewebeproben und machte das syrische Regime dafür verantwortlich. Russland verhinderte daraufhin im November mit seinem Veto im UN-Sicherheitsrat eine Verlängerung des Mandats.

Russland und das Regime hatten eine Reihe widersprüchlicher Erklärungen präsentiert. Zunächst bestritten sie, dass Kampfstoffe eingesetzt worden seien, dann beschuldigten sie Kämpfer der mit al-Qaida verbundenen Nusra-Front, den Angriff inszeniert zu haben. US-Präsident Trump reagierte damals, indem er 59 Marschflugkörper auf den Militärflugplatz abfeuern ließ, von dem die Maschine gestartet war, die den Ort bombardierte.

Chemische Analysen zeigten, dass das eingesetzte Sarin die gleiche Zusammensetzung hatte, wie das 2013 in der Ghouta eingesetzte. Es enthielt einen charakteristischen Stabilisator, den das Regime als Teil seines Chemiewaffenprogramms bei der OPCW deklariert hatte. Es ist nicht klar, ob in Duma ebenfalls Sarin oder ein verwandter Stoff aus der Gruppe der Phosphorsäureester zum Einsatz kam; Symptome der Opfer legen das nahe. Allerdings hatte US-Verteidigungsminister James Mattis Russland und Syrien auch gewarnt, weiter Chlor einzusetzen, wie es Hunderte Male in Syrien geschehen ist; dies wäre "sehr unklug", sagte er im März bei einem Besuch in Oman.

© SZ vom 12.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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