Krieg in Libyen:UN untersuchen Vorwürfe gegen Gaddafi-Truppen

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Ein Team der Vereinten Nationen ist unterwegs nach Tripolis, um den Hinweisen auf "systematische Angriffe libyscher Soldaten auf die Bevölkerung" nachzugehen. Doch auch die Nato gerät zunehmend in die Kritik.

Während die Regierung des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi in Tripolis die Ankunft eines UN-Teams erwartet, das Berichten von Menschenrechtsverletzungen nachgehen soll, werden neue Vorwürfe der Aufständischen bekannt.

Ein Junge wird in Misrata in einem Krankenhaus behandelt. Die leichten Verletzungen stammen angeblich vom Beschuss der Innenstadt durch Gaddafi-Truppen. (Foto: AFP)

Demnach sollen Gaddafi-Truppen an der Front zwischen Al-Brega und Adschdabija Minen an Leichen angebracht haben. Der Versuch, während Kampfpausen die Opfer der Kämpfe zu bergen, würde durch die hinterhältige Strategie zu einem extrem gefährlichen Unternehmen.

Die drei UN-Experten, die auf dem Weg nach Libyen sind, sollen allerdings älteren Vorwürfen nachgehen. Zuvor hatte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, erklärt, bei dem Einsatz schwerer Waffen gegen die Zivilbevölkerung in Misrata durch libysche Regierungstruppen - insbesondere der Beschuss medizinischer Einrichtungen - könnte es sich um Kriegsverbrechen handeln. Angesichts der "systematischen Angriffe auf die Bevölkerung" könnte die Führung in Tripolis wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden.

Es sei gewissenlos, wie die libyschen Soldaten und von Gaddafi angeheuerte Söldner auf friedliche Demonstranten schossen, hatte Pillay bereits im Februar erklärt und gefordert, die internationale Gemeinschaft müsse dieses Vorgehen verurteilen. Seit Beginn der Proteste gegen den Diktator hatte es Berichte von der Folterung und Ermordung von Demonstranten gegeben.

Die libysche Regierung hatte einer Untersuchung durch die Vereinten Nationen zugestimmt - unter der Voraussetzung, dass auch das Vorgehen der Rebellen und der Nato überprüft werden müsse.

Neben dem gewaltsamen Vorgehen gegen Demonstranten steht das Gaddafi-Regime auch wegen der Angriffe der Soldaten auf die Stadt Misrata im Westen des Landes in der Kritik. Angeblich sollen die Truppen die Innenstadt mit schweren Waffen beschossen haben, ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Dies und das Feuer von Heckenschützen des Militärs machen es den Einwohnern der Stadt unmöglich, sich mit Nahrungsmitteln und Medikamenten zu versorgen. Sogar der Hafen, wo Flüchtlinge darauf warten, die Stadt zu verlassen, wurde mit Raketen beschossen.

Menschenrechtsgruppen berichten von mehr als 1000 Todesopfern der Kämpfe, etliche mehr sollen verwundet worden sein. Die Regierung hat Berichte über wahllose Angriffe auf die Stadt allerdings zurückgewiesen. Der kanadische Kommandeur des Nato-Einsatzes, Generalleutnant Charles Bouchard, hatte bereits am Dienstag in Neapel gewarnt, dass es auch in anderen westlichen Städten zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung komme: "Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht sehe, wie Gaddafis Truppen mit Gewalt gegen Männer, Frauen und Kinder vorgehen."

Unterdessen hat Russlands Premier Wladimir Putin den Angriff auf Quartiere des Diktators in Tripolis heftig kritisiert. Es gebe kein Mandat, den libyschen Führer zu töten, erklärte er laut BBC. Auch die Afrikanische Union (AU) hat ein Ende der Angriffe auf libysche Regierungsvertreter und die zivile Infrastruktur des Landes gefordert. Diese würden die Lage verschlechtern und einen internationalen Konsens über das weitere Vorgehen in Libyen gefährden.

US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte es dagegen als legitim bezeichnet, militärische Kommandozentralen anzugreifen. Die Luftangriffe der alliierten Streitkräfte zielten zwar nicht spezifisch auf den libyschen Machthaber ab, sagte Gates am Dienstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem britischen Verteidigungsminister Liam Fox im Pentagon. Sie würden aber weiterhin die Kommandozentralen Gaddafis ins Visier nehmen. Nato-Bomben hatten am Montag Gaddafis Militärkomplex Bab al-Asisija in Tripolis getroffen und teilweise schwer beschädigt. Ein libyscher Regierungssprecher wertete die Bombardierung als gescheitertes Attentat auf Gaddafi.

Gates sagte zwar, Kommandozentralen seien im Rahmen des von der Nato geführten Lufteinsatzes in Libyen schon immer als legitime Angriffsziele betrachtet worden. Die von der Allianz ausgeführten Angriffe konzentrierten sich allerdings zu Beginn der Mission auf die Luftabwehr Gaddafis, dessen Versorgungslager und manövrierende Bodentruppen.

Großbritanniens Außenminister William Hague erklärte laut BBC, die 1500 Angriffe der Nato über Libyen hätten Gaddafis militärische Mittel ernsthaft verringert und "von Gaddafis Streitkräften geplante Massaker vereitelt". Diese seien deshalb nicht in der Lage, in die Rebellenhochburg Bengasi einzudringen. Es sei sehr wahrscheinlich, dass ohne die Einsätze der Nato "Misrata gefallen wäre, mit furchtbaren Konsequenzen für die mutigen Bewohner der Stadt".

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